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Aachener Kollegen vom Vorwurf der Gefangenenbefreiung freigesprochen

Am 13. Januar 2017 hatten sich zwei Bedienstete der JVA Aachen vor dem Kölner Amtsgericht wegen des Vorwurfs der Gefangenenbefreiung zu verantworten. Im Januar 2016 hatten die beiden Beamten einen in der JVA Aachen einsitzenden Sicherungsverwahrten in die Kölner Innenstadt ausgeführt und dabei ein Brauhaus aufgesucht.

Wegen unzureichender Beaufsichtigung war es dem Sicherungsverwahrten gelungen, aus dem Lokal zu fliehen, ohne dass die begleitenden Bediensteten sofort Verdacht schöpften. Erst nach drei Tagen konnte der Verwahrte, der 1991 wegen mehrfacher Vergewaltigung zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden, in Brühl festgenommen werden.

Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten vor, sie hätten durch die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht die Flucht des Sicherungsverwahrten wissentlich gefördert und sich deshalb strafbar gemacht. Indem sie den Sicherungsverwahrten unbeaufsichtigt zur Toilette hätte gehen lassen, hätten sie mit Gleichgültigkeit und Gelassenheit die Flucht des Verwahrten in Kauf genommen. Die zuständige Staatsanwältin forderte Bewährungsstrafen von 15 und 18 Monaten.

Verteidigung plädiert auf Freispruch

Die Verteidiger der Beamten plädierten hingegen auf Freispruch, weil den beiden Angeklagten keine Schuld träfe. Seitens der Anstaltsleitung sei entschieden worden, dass die Ausführung ungefesselt erfolgen sollte. Zudem sei darauf verzichtet worden, den Beamten Waffen auszuhändigen. Hierdurch sei eine Situation eingetreten, dass der Sicherungsverwahrte während der Ausführung jederzeit einen Fluchtversuch mit Aussicht auf Erfolg hätte unternehmen können.

Von einem Bediensteten, so die Verteidigung weiter, könne nicht über sechs Stunden absolute Aufmerksamkeit verlangt werden. In einer solchen Situation sei es menschlich verständlich und nachvollziehbar, dass eine Unachtsamkeit zur Flucht geführt habe. Erschwerend käme hinzu, dass den Beamten durch den Verzicht auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen suggeriert worden sei, dass von dem Verwahrten eine nur geringe Gefahr für die Öffentlichkeit ausgehe. Angesichts dieser Sachlage plädierte die Verteidigung auf Freispruch.

Gericht sieht den Straftatbestand der Gefangenenbefreiung als nicht erfüllt an

Das Gericht schloss sich mit seinem Urteil der Argumentation der Verteidigung an. Der Richter begründete den Freispruch mit dem Hinweis, dass die beiden Angeklagten zwar schlampig gehandelt hätten und ihnen vermutlich auch ein dienstrechtlicher Vorwurf gemacht werden könne, dass ihr Verhalten allerdings keine strafrechtliche Relevanz aufweise. Die Flucht des Sicherungsverwahrten hätten sie schließlich nicht vorsätzlich ermöglicht.

Nach § 53 Abs. 3 Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz NRW haben Verwahrte einen Rechtsanspruch, die Einrichtung vier Mal jährlich unter ständiger und unmittelbarer Beaufsichtigung verlassen zu können, um ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und um ihre Mitwirkung an der Behandlung zu fördern. Sie dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr begründen. Für die begleitenden Beamten bedeuten solche Ausführungen ein erhebliches Risiko, sich in vorwerfbarer Weise falsch zu verhalten.

Auswirkungen für Strafvollzugsbedienstete

Da ist es gut, dass das Kölner Gericht das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens in diesem konkreten Fall verneint hat. Für Strafvollzugsbedienstete bedeutet dies ein Stück mehr Sicherheit. Bei der Flucht eines Gefangenen im Rahmen einer Ausführung stehen die begleitenden Kolleginnen und Kollegen nicht gleich selbst „mit einem Bein im Gefängnis“.

Seit der Flucht des Sicherungsverwahrten vor einem Jahr sind die beiden Kollegen vom Dienst suspendiert. Sie werden sich jetzt voraussichtlich noch dienstrechtlichen Ermittlungen stellen müssen. Das Damoklesschwert des Verlustes der beruflichen Existenz schwebt allerdings zunächst nicht mehr über ihnen. Der Verlust der Beamtenrechte gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz hätte bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu mehr als zwölf Monaten gedroht.

BSBD-Chef Peter Brock bewertete die heutige Entscheidung des Amtsgerichts Köln als positiv. „Mit der Durchführung von vollzugslockernden Maßnahmen unter ständiger und unmittelbarer Beaufsichtigung sahen sich die Strafvollzugsbediensteten bislang den damit zwangsläufig verbundenen Risiken allein ausgesetzt. Die Kölner Entscheidung hat jetzt deutlich gemacht, dass es eines eigenen Tatentschlusses bedarf, bevor gegen Kolleginnen und Kollegen strafrechtlich vorgegangen werden kann. Dies ist eine ermutigende Nachricht, weil damit die latente Bedrohung der beruflichen Existenz der Strafvollzugsbediensteten ein Stück weit eingedämmt wird“, betonte der Gewerkschafter.

Friedhelm Sanker

Foto im Beitrag © cirquedesprit / Fotolia.de