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Kriminalitätsentwicklung: Geht die Zahl der Straftaten tatsächlich zurück?

Anfang Mai 2018 hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der Öffentlichkeit die Kriminalstatistik für das Jahr 2017 vorgelegt. Und ähn-lich wie in den Bundesländern, die die Ergebnisse für ihre Bereiche be-reits zuvor öffentlich gemacht hatten, konnte der Minister auf einen Rückgang der Zahl der erfassten Straftaten von zehn Prozent verweisen. Einen solch starken Rückgang der registrierten Taten hat die Bundesrepublik seit fast 25 Jahren nicht mehr erlebt.

Doch spiegelt die Statistik die tatsächliche Entwicklung im Land? Hier sind Zweifel durchaus ange-bracht, weil die die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik nicht ermittelt, wie viele Straftaten in einem Jahr begangen worden sind, sondern lediglich einen Arbeitsnachweis der Polizei darstellt.

Greift man diesen Gedanken auf, und würde ihn ins Extreme weiterentwickeln, würde dies bedeuten, dass die Kriminalität auf Null zurückginge, schaffte man die Polizei gänzlich ab. Kein vernünftiger Mensch würde glauben, dass eine solche Statistik die Realität abbildet. Deshalb ist Vorsicht geboten, wenn von der Statistik auf die tatsächliche Zahl der begangenen Straftaten geschlossen wird.

Experten warnen vor falschen Schlussfolgerungen

Experten der Polizei warnen denn auch vor voreiligen Schlussfolgerungen auf die Sicherheitslage im Land. Die Statistik weist allerdings teilweise bemerkenswerte Besonderheiten auf. Der aus den Bundesländern bereits bekannte Trend des spürbaren Rückgangs der Wohnungseinbrüche um mehr als 20 Prozent ist sicher für die Bürgerinnen und Bürger eine gute Nachricht. Hier hat die Polizei auch Erfolge erzielt. Da Einbrüche in Wohnungen aus Gründen des Versicherungsschutzes fast immer zur Anzeige gebracht werden, spiegelt die Statistik in diesem Punkt vermutlich die Realität.

In anderen Kriminalitätsbereichen ist dies nicht so. Im Bereich der Gewaltkriminalität war nur ein geringer Rückgang feststellbar, während Straftaten in Schulen und im Bereich der Kinderpornografie erheblich angestiegen sind. Auch linksextremistisch motivierte Gewalt hat 2017 einen Höhepunkt erlebt, wozu der G 20-Gipfel in Hamburg erheblich beigetragen hat.

Warum aber weicht das subjektive Sicherheitsempfinden vieler Bürgerinnen und Bürger von den statistischen Zahlen ab? Hierzu trägt vermutlich der Rückgang der Hemmschwelle in der Gesellschaft bei, selbst aus Anlass geringster Konflikte Gewalt im öffentlichen Raum anzuwenden. Für Notärzte und Feuerwehrleute, Rettungssanitäter oder Lehrer sind Angriffe im Dienst zur alltäglichen Erfahrung geworden, die auch im Strafvollzug mehr und mehr um sich greifen.

Die Gesellschaft wird brutaler

Diese unschönen Entwicklungen, die zwischenzeitlich bereits zu einer Verschärfung des Strafrechts geführt haben, müssen den Sicherheitsexperten zu denken geben. Angesichts der vielen Gewalttaten und Messerattacken im öffentlichen Raum und in öffentlichen Verkehrsmitteln kann man mit einiger Berechtigung feststellen, dass sich unsere Gesellschaft brutalisiert hat.

Mit der Flüchtlingskrise ist die Gesellschaft noch einmal deutlich heterogener geworden. Viele dieser Neubürger, die aus den Krisengebieten dieser Welt stammen, haben deutlich rustikalere Konfliktbewältigungsstrategien ins Land gebracht, ohne dass Politik, Polizei, Strafvollzug und Justiz ausreichend auf diese Situation vorbereitet waren. Unsere staatlichen Institutionen waren nicht vorbereitet und nicht gewappnet für die Herausforderungen einer multikulturellen Gesellschaft, die – je nach Standpunkt – nicht mehr Wunsch oder Feindbild, sondern Realität geworden ist.

Die Zahl der Menschen in Deutschland, die über gemeinsame Wurzeln, gemeinsame Werte und gemeinsame kollektive Erfahrungen verfügen, nimmt von Jahr zu Jahr ab. Und das liegt nicht allein an der Globalisierung und der Migration, sondern auch an den individualisierten Interessen und Lebensumständen jedes Einzelnen und an der Zurückdrängung gemeinsamer Wertvorstellungen und Anliegen.

Die deutsche Gesellschaft befindet sich im Wandel

In Deutschland hat sich die Wandlung zu einer heterogenen Gesellschaft schleichend vollzogen. Zunächst kamen Gastarbeiter bei denen man Integrationsbemühungen für überflüssig hielt. Die deutsche Gesellschaft hat lange Zeit vehement bestritten ein Einwanderungsland zu sein. Es wurde daher vermieden, fixe Regeln für das Zusammenleben zu entwickeln. Sicher stand uns dabei auch unsere Vergangenheit im Weg. Also entschied man sich für Laisser-faire. Wir überließen es den Neuankömmlingen herauszufinden, wie man in Deutschland lebt und miteinander umgeht. Statt Regeln aufzustellen haben wir gehofft, dass sich vernunftbegabte Menschen ein Beispiel an den Deutschen nehmen und sich von selbst anpassen.

Dieser Verzicht auf Vorgaben und Regeln rächt sich jetzt, zumal dieser Verzicht durch die Liberalisierung des Lebens, den Abbau von Konventionen und zunehmende Toleranz flankiert wurde. Jedem, auch jenen, die sich sicherlich Orientierung gewünscht hätten, blieb es überlassen, sich kulturell, gesellschaftlich und ökonomisch selbst zu verwirklichen. Dies war für unsere Gesellschaft zunächst einmal mit den geringsten Belastungen verbunden und folglich sehr bequem. Jetzt aber merken wir, dass wir diesen Weg nicht mehr fortsetzen können, wenn der gesellschaftliche Zusammenhang nicht gänzlich aufgegeben werden soll. Wir stellen fest, dass sich viele Parallelgesellschaften gebildet haben, die eigene Werte leben und sich von der Mehrheitsgesellschaft bewusst abgrenzen.

Es bedarf jetzt klarer Regeln und Vorgaben

Eine Einwanderungsgesellschaft, die Menschen unterschiedlicher Kulturen auf ein einheitliches Wertegerüst verpflichten will, benötigt klare, nachvollziehbare Regeln und Gesetze sowie Institutionen, die diese Regeln unnachgiebig durchsetzen. Die vergleichsweise übersichtliche, homogene Bundesrepublik vergangener Jahrzehnte ist Geschichte.

Der Politik wird langsam klar, dass in dieser Hinsicht Handlungsbedarf besteht. In Bayern ist bereits ein neues Polizeigesetz verabschiedet worden und auch in NordrheinWestfalen wird derzeit um neue Eingriffstatbestände und ausgeweitete Befugnisse für die Polizei gerungen. Dabei wird an härteren Regeln kein Weg vorbeigehen, wenn wir nicht wollen, dass das Recht des Stärkeren den öffentlichen Raum erobert.

Die gegenüber den schon länger hier Lebenden deutlich höhere Kriminalitätsbelastung von Zuwanderern und Menschen, die speziell für die Begehung von Straftaten ins Land kommen, erfordert hohe Investitionen in unsere Sicherheit. Die Polizei, die Justiz und der Strafvollzug müssen jetzt schnell aufgestockt und ausgebaut werden, damit uns das Heft des Handelns nicht aus der Hand genommen wird. Und eines sollte uns bewusst sein: Eine heterogene Gesellschaft benötigt eine Polizei mit erweiterten Befugnissen und Fähigkeiten, damit sie das Gewaltmonopol des Staates glaubhaft verkörpern und durchsetzen kann.

Friedhelm Sanker

Foto im Beitrag © jonathan-stutz / Fotolia.com