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Bundesverfassungsgericht: Der Verein „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG)“ bleibt verboten!

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit dem am 21. August 2018 veröffentlichten Beschluss vom 13. Juli 2018 (1 BvR 1474/12, 1 BvR 57/14, 1 BvR 670/13) drei Verfassungsbeschwerden gegen Vereinigungsverbote zurückgewiesen und die Verbote als sachgerecht angesehen, weil sie mit grundrechtlichen Anforderungen vereinbar seien. Auch die Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG) bleibt damit verboten.

Der Senat begründet seine Entscheidung mit dem Verweis auf Artikel 9 Abs. 2 GG, der der Vereinigungsfreiheit aus Artikel 19 Abs. 1 GG Grenzen setze. Danach seien Vereinigungen deren Zwecke oder Aktivitäten mit den Strafgesetzen kollidierten oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richteten verboten. Bei den Verbotsentscheidungen sei allerdings der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, nachdem jeweils das mildeste Mittel angewendet werden müsse, dass geeignet sei, die genannten Rechtsgüter wirksam zu schützen.

Das Verbot des Vereins „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG)“ gründet auf der Feststellung, er habe mit seiner Vereinszeitschrift inhaftierte Rechtsextremisten in ihrer Haltung gegen Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland bestärkt und habe sich damit aktiv-kämpferisch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet, was den geltenden Strafgesetzen zuwiderlaufe. Der Verein hat gegen die erlassene Verbotsverfügung den Verwaltungsrechtsweg erfolglos beschritten.

Das Verbot des Vereins „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG)“ hat der Erste Senat als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, weil sich der Verein im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik richtet und den Strafgesetzen zuwiderläuft.

Durch das Bundesverwaltungsgericht war festgestellt worden, dass der Verein sich in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Für das Verbot war maßgebend, dass der Verein elementare Grundsätze der verfassungsmäßigen Ordnung in Frage stellt. Er wendet sich gegen Menschenrechte, gegen Kernelemente der Rechtsstaatlichkeit und gegen demokratische Grundsätze. In seinen Publikationen bekennt sich der Verein zu Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil des Nationalsozialismus und zu Antisemitismus und Rassenlehre. Die Bundesrepublik charakterisiert der Verein als „korrupt“ und „verkommen“, „aufgezwungen“ und „schandhaft“. Der Demokratie wünscht er „den Untergang“.

Das Verbot stützt sich auch darauf, dass die Fundamente der demokratischen Verfassungsstaatlichkeit des Grundgesetzes nicht nur abgelehnt und verächtlich gemacht, sondern aktiv „untergraben“ werden. Der Verein ruft zum Kampf gegen diese Ordnung auf. Der präventive Charakter des Art. 9 Abs. 2 GG als Teil der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes erlaubt ein Vereinigungsverbot schon vor dem Einsatz von Gewalt, aber nicht nur aufgrund einer politischen Überzeugung, sondern erst bei Vorliegen einer den Verein prägenden kämpferisch-aggressiven Haltung. Dabei kommt es nicht darauf an, wie wirksam die Vereinigung ist.

Anders als für ein Verbot einer politischen Partei (Art. 21 GG) genügen für das Verbot einer Vereinigung daher auch Aktivitäten, die sich gegen elementare Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung in einzelnen Gemeinden oder sonst „abgegrenzten Sozialräumen“ richten.

Entscheidend ist, ob das Gesamtbild der Vereinigung mit ihrer formellen und tatsächlichen Zwecksetzung, ihrer erkennbaren Haltung, ihrer Organisation und den Tätigkeiten der Organe und Mitglieder den Verbotstatbestand verwirklicht. Das ist nach Überzeugung des Gerichts der Fall.

Nach der Auffassung des Vereins müsse man „nationale Freiräume“ schaffen, „gegen das Rattensystem“ kämpfen, „niemals kapitulieren“, wobei man „nicht ohne Gewalt auskommen“ werde. Nach den Feststellungen des Gerichts war die Kommunikation des Vereins mit extremistisch geprägten Gefangenen zudem darauf angelegt, diese zu radikalisieren, um nach der Haftentlassung wieder einschlägige Straftaten zu begehen. Auch hat die Vereinszeitschrift unter anderem dazu aufgerufen, „die Namen von Staatsanwälten, Einsatzleitern der Polizei oder Richtern“ zu nennen, damit diese später einmal „zur Rechenschaft gezogen“ werden könnten und droht so staatlichen Amtsträgern wegen der Ausübung ihres Amtes. Das Handeln des Vereins geht damit über eine bloße politische Gesinnung hinaus. Die Förderung von Straftaten und die aggressive Bekämpfung von elementaren Verfassungsgrundsätzen kann daher ein Verbot einer Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 GG rechtfertigen.

Ein Verbot, das an solche Äußerungen anknüpft, begegnet weder hinsichtlich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) noch hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung aufgrund der politischen Anschauung (Art. 3 Abs. 3 Satz 1) GG verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Verein wurde nicht wegen einer als rechtsextremistisch bewerteten Meinung oder wegen seiner politischen Anschauung verboten, sondern weil er sich nach außen kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Das Grundgesetz schützt die Kernelemente demokratischer Verfassungsstaatlichkeit gegen Angriffe von innen, die über die politische Debatte hinausgehen, indem sie deren Voraussetzungen selbst zu zerstören suchen. Mit dem Bekenntnis zur NS-Herrschaft verbindet sich eine politische Haltung. Verbotsgrund ist deshalb die Identifikation mit gewalttätigen Mitteln, die eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ausdruck bringt.

Diese Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts entsprechen nach Auffassung der Verfassungsrichter den verfassungsrechtlichen Anforderungen, zumal das Vereinigungsverbot auch als verhältnismäßig anzusehen ist. Die HNG ist nach Überzeugung des Verfassungsgerichts wesentlich von der Ausrichtung gegen die grundrechtliche Ordnung der Bundesrepublik geprägt, so dass es nicht ausreichte, allein gegen die Äußerungen des Vereins vorzugehen.

Friedhelm Sanker

Symbolfoto im Beitrag © nmann/Fotolia.com