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Kommt die Bürgerversicherung jetzt heimlich, still und leise durch die Hintertür?

Vor der Bundestagswahl 2017 wurde von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen das Modell der Bürgerversicherung propagiert. Die solidarische Bürgerversicherung sollte die Lösung für alle künftigen Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sein. Zum Verdruss der Befürworter wollte das Thema Bürgerversicherung im Wahlkampf aber nicht so recht zünden.

Im Wahlprogramm der SPD fanden sich dann auch nur noch wenige krude Sätze zu diesem politischen Ziel. Je näher der Wahltermin rückte desto weniger wurde für die Bürgerversicherung geworben, weil sich bei den Bürgerinnen und Bürgern ein diffuses Unbehagen gegen eine Einheitsversicherung breitgemacht hatte. Dass dieses politische Ziel damit nicht beerdigt war, zeigt sich jetzt in praktischer Regierungspolitik. Viele Landesregierungen, an denen Sozialdemokraten, Grüne und Linke beteiligt sind, versuchen derzeit, ihre Intentionen nunmehr durch die Hintertür zu erreichen, in dem sie das „Hamburger Modell“ realisieren.

Nach Hamburg wollen jetzt auch Thüringen, Berlin, Bremen und Brandenburg Beamten leichteren Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung verschaffen. Dafür soll ihnen monatlich eine pauschalierte Beihilfe in Höhe der hälftigen Kosten zur gesetzlichen Krankenversicherung ausgezahlt werden. Der Vorteil: Alle Familienmitglieder sind in der GKV ohne zusätzliche Beiträge mitversichert. Dies ist durchaus ein verlockendes Angebot für junge Beamtinnen und Beamte.

Die propagierte Wahlfreiheit ist nur eine scheinbare

Die Politik gibt vor, den Beamten eine verlässliche Wahlmöglichkeit zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung eröffnen zu wollen. Doch so ganz frei soll die Wahlmöglichkeit dann doch nicht sein. Das Ziel der Bürgerversicherung soll schließlich nicht aus den Augen verloren werden. Deshalb ist vorgesehen, dass Beamte nur einmal wählen sollen. Haben sie sich für die gesetzliche Krankenversicherung entschieden, soll der Wechsel in die private Krankenversicherung nicht mehr möglich sein.

Hieran wird die wahre Absicht der Politik, nämlich die Realisierung der Bürgerversicherung auf kaltem Wege, deutlich. Die lukrativ gestaltete Wahlmöglichkeit dient dazu, viele Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung zu lotsen. Sind sie einmal dort, bleibt der Weg zurück versperrt. Die Politik hat nämlich nicht den finanziellen Vorteil von Beamten im Sinn, sonst wäre eine uneingeschränkte Wahlmöglichkeit zu jedem Zeitpunkt vorgesehen worden.

Es sollen gute Risiken für die GKV gewonnen werden

Das Ziel ist es, junge Beamte dauerhaft in der GKV zu binden, um der gesetzlichen Krankenversicherung gute Risken und zusätzliche Mitglieder zuzuführen. So soll die Finanzierungsbasis der GKV verbreitert werden. Ist erst einmal der Beamtennachwuchs der GKV beigetreten, so das Kalkül der Politik, ließe sich die Bürgerversicherung leichter realisieren.

Dabei liegen die Nachteile einer solchen Regelung auf der Hand. Eine Einheitsversicherung nach quasi britischem Muster steht nicht unter Konkurrenzdruck. Was wir in Großbritannien beobachten, nämlich lange Wartezeiten bei der Konsultation von Fachärzten und die Gewährung von Operationen nach ökonomischen Gesichtspunkten, wäre auch bei uns zu erwarten. Dann würden bestimmte Operationen ab einem gewissen Alter nicht mehr vertretbar sein, weil die Solidargemeinschaft mit solchen Kosten über Gebühr belastet würde.

Pharma-Industrie und Leistungserbringer im Gesundheitswesen werden geschont

Eine Einheitsversicherung würde den Leistungserbringern und der Pharma-Industrie wahrscheinlich als Selbstbedienungsladen dienen, um ihre Einkommen und Gewinne zu steigern. Diesen Ansatzpunkt nutzt die Politik seit vielen Jahren nicht, um eine Reduzierung der Gesundheitskosten zu erreichen. Dabei ist nicht einzusehen, weshalb Medikamente in Deutschland um eine Vielfaches teurer sein müssen als im benachbarten Ausland.

Deutschland gibt wesentlich mehr Geld für die Gesundheit seiner Bürger aus als beispielsweise die skandinavischen Länder, ohne dass wir nennenswert gesünder wären. Folglich muss hier ein enormes Einsparpotential brach liegen, dass seit vielen Jahren darauf wartet gehoben zu werden.

Da erheblicher Widerstand der Lobbyverbände der betroffenen Unternehmen zu erwarten ist, traut sich die Politik den Konflikt mit Ärzteorganisationen und einer finanzkräftigen Pharma-Industrie nicht zu und weicht deshalb auf Bereiche aus, in denen der Widerstand geringer zu sein scheint.

Das „Hamburger Modell“ führt zu Mehrkosten für den Steuerzahler

Dabei gehen die vermeintlich progressiven politischen Kräfte zum wiederholten Male einer Studie der Bertelsmann-Stiftung auf den Leim. Mit der Studie wird die Behauptung aufgestellt, dass die Beiträge zur GKV gesenkt werden könnten, würden Beamte in die Versicherungspflicht einbezogen. Die Fragwürdigkeit dieser Empfehlung wird allein dadurch belegt, dass Hamburg, wo die Wahlmöglichkeit zum 01. August 2018 eingeführt wurde, mit Mehrkosten in Höhe von jährlich 5,8 Millionen Euro gegenüber einer Beihilfegewährung im konkreten Krankheitsfall ausgeht.

Die Konkurrenz von privater und gesetzlicher Krankenversicherung soll durch die Einführung einer Bürgerversicherung beendet werden. Die Leistungserbringer und die Pharmaindustrie würden sich freuen. Bei nach und nach abgespecktem Leistungsangebot ließen sich immer noch hohe Preise durchsetzen. Die Nachteile hätte die Bürger zu tragen, wie ein Blick über den Ärmelkanal zeigt. Dort werden lange Wartezeiten in den Gesundheitseinrichtungen und die Versagung von medizinischen Leistungen beklagt. Um von diesen Einschränkungen nicht betroffen zu sein, sichern sich viele Briten zusätzlich durch eine private Versicherung ab.

Gewinnmaximierung ist Gift für das Gesundheitswesen

Es sollte im Interesse aller Bürger liegen, eine solch absehbare Entwicklung zu verhindern. Die Politik ist vielmehr aufgerufen, nicht an dem bewährten Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung herumzudoktern, sondern die Kosten im Gesundheitswesen spürbar zu begrenzen. Auch die Privatisierung vieler Gesundheitseinrichtungen und deren Streben nach Gewinnmaximierung hat die Kosten in den letzten Jahren getrieben und zu einer vermeidbaren Arbeitsverdichtung bei den Assistenzkräften in den Krankenhäusern geführt. Dies alles liegt nicht im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger.

Nachdem die Beihilfe unter dem verfassungsrechtlichen Schutz von Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz steht, hat sich Hamburg die scheinbare Wahlfreiheit und die Deklarierung des Arbeitgeberanteils als pauschalierte Beihilfe einfallen lassen, um die verbeamteten Nachwuchskräfte zu ködern. Jeder, der von diesen neuen Möglichkeiten Gebrauch macht oder machen will, sollte die Kosten während des gesamten Berufslebens bedenken und die beiden Alternativen vor einer Entscheidung gegenüberstellen. Das „Hamburger Modell“ kann günstig sein, solange zwei und mehr Personen für einen Beitrag versichert sind. Reduziert sich die Personenzahl später, weil die Kinder selbständig geworden sind, ist der Beitrag deutlich höher als er in einer privaten Krankenkasse wäre.

BSBD wird der Abschaffung des Beihilfesystems entgegentreten

Für den BSBD hat dessen Landesvorsitzender Peter Brock das Vorgehen der angesprochenen Bundesländer scharf kritisiert: „Die Beihilfe ist als wesentlicher Bestandteil der Besoldung  verfassungsrechtlich geschützt. Wenn man den Systemwechsel politisch will, dann muss man für die notwendigen Gestaltungsmehrheiten in den Parlamenten werben und nicht von hinten durch die Brust ins Auge versuchen, ein System zu torpedieren und auszuhöhlen, das sich über viele Jahre bewährt hat. Für den BSBD kann ich feststellen, dass wir uns allen Bestrebungen widersetzen werden, das System der Beihilfen im Krankheitsfall zu liquidieren!“

Friedhelm Sanker

Symbolfoto: alfa27/Fotolia.de