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Die Gefangenenpopulation ändert sich schneller als bislang erwartet

Nachdem Justizminister Peter Biesenbach (CDU) im vergangenen Jahr wiederholt darauf hingewiesen hat, dass der zunehmende Ausländeranteil ein Problem für den nordrhein-westfälischen Strafvollzug darstelle, hat diese Entwicklung nochmals an Intensität zugenommen. Speziell wenn man über die Landesgrenzen hinausblickt, erhält man einen Eindruck davon, wie sich die Gefangenenpopulation künftig zusammensetzen könnte.

Der BSBD hatte im letzten Jahr bereits gemutmaßt, dass die Herausforderungen für die Strafvollzugsbediensteten noch größer werden könnten, obwohl sie bereits bis zur Grenze des Zumutbaren belastet seien.

Zwar hat die Landesregierung zwischenzeitlich für zusätzliche Stellen gesorgt, doch steht der Vollzug jetzt vor der Schwierigkeit, diese Stellen angemessen besetzen zu müssen. Um die wenigen geeigneten Interessenten konkurriert eine Vielzahl von potenziellen Arbeitgebern. Es nimmt folglich viel Zeit in Anspruch, die richtigen Bewerber zu finden und sie dann noch zwei Jahre für den Dienst im Strafvollzug auszubilden.

Diese nicht veränderbaren Abläufe sorgen dafür, dass Entlastung allenfalls mittelfristig zu erwarten ist. Ein weiteres Problem stellen die Ausbildungskapazitäten dar, für die das Ministerium zwischenzeitlich ein Provisorium in Hamm gefunden hat. Hier müssen aber zunächst notwendige Baumaßnahmen durchgeführt werden, bevor diese ehemalige Schule für die theoretische Ausbildung von Strafvollzugsbediensteten genutzt werden kann.

Aber nicht nur geeignetes Personal ist schwer zu gewinnen, auch die konzeptionelle Weiterentwicklung des Vollzuges ist dringend erforderlich, um auf die sich nachhaltig verändernde Gefangenenklientel angemessen zu reagieren. Wir müssen hier Behandlungsansätze finden, die für alle Gefangenengruppen passgenau sind und rechtstreue Bürgerinnen und Bürger davor schützen, künftig überwiegend für die Finanzierung von ausufernden Kriminalitätskosten herangezogen zu werden.

Ausländerquote steigt und steigt

Über Österreichs Gefängnisse wird berichtet, dass dort seit geraumer Zeit mehr Ausländer inhaftiert werden als Österreicher selbst. Dies ist schon eine erstaunliche Information, weil Ausländer auch in Österreich noch eine Minderheit sind. Nutzen vielleicht viele ausländische Straftäter die offenen Grenzen in Europa, um die vermeintlich reichen westlichen Demokratien zum Ziel von kriminellen Beutezügen zu machen? Auch in deutschen Bundesländern ist eine vergleichbare Entwicklung zu beobachten. So berichteten Berlin, Hamburg und Thüringen kürzlich über Ausländerquoten von 50 und mehr Prozent. Diese Quote erreicht Nordrhein-Westfalen noch nicht ganz, aber die Tendenz geht klar in diese Richtung.

Der Vollzug hat den anspruchsvollen gesetzlichen Auftrag, die Wiedereingliederung von Straftätern zu managen und zu bewirken. Da die Gefangenenpopulation jedoch immer heterogener wird, türmen sich im Vollzug die Probleme. Je unterschiedlicher die Gefangenengruppen desto größer der Bedarf an bedürfnisgerechten Behandlungsangeboten. Zwischenzeitlich ist bei dieser Entwicklung eine Tendenz in Richtung Überforderung des Vollzuges unverkennbar. So wird auch aus den nordrhein-westfälischen Einrichtungen verstärkt über Widersetzlichkeiten, verbale und körperliche Übergriffe sowie Vandalismus berichtet. Solche Phänomene erfordern eine erhöhte Personalpräsenz, um subkulturelle Entwicklungen einzudämmen und dem Respekt vor dem deutschen Recht Geltung zu verschaffen. Leider verfügen die Einrichtungen nicht über einen Personalbestand, dass sie diese zusätzlichen Herausforderungen klaglos schultern könnten. Die Kolleginnen und Kollegen werden jetzt bereits bis an die Grenze der Belastbarkeit beansprucht.

Ausländer gab es im bundesdeutschen Strafvollzug zu allen Zeiten. In den zurückliegenden Jahrzehnten ist jedoch ein starker Anstieg zu beobachten. Mit den Auswirkungen des Wegfalls der Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union stieg der Anteil der Ausländer in den Vollzugseinrichtungen deutlich an. Mit dem Wegfallen der Grenzkontrollen hat die Ausländerkriminalität nochmals einen Schub erhalten. Für die organisierte Kriminalität, den Terrorismus und auch Einzeltäter ergaben sich völlig neue Möglichkeiten, ihren gegen das Recht gerichteten Handlungen nachzugehen. Für die bundesdeutsche Bevölkerung vollzog sich dieser Prozess zunächst schleichend, so dass er nicht sonderlich ins Auge fiel.

Für die meisten Bundesbürger ist die Freizügigkeit in der Europäischen Union ein hohes Gut. Dies wohl auch deshalb, weil wir nicht im Blick haben, was uns diese Freizügigkeit eigentlich kostet und bereits gekostet hat. Die von reisenden Straftätern begangenen Taten haben die Versicherungsprämien deutlich ansteigen lassen, weil für den Ausgleich der verursachten Schäden hohe Beträge geleistet wurden. Für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Migranten werden nach Expertenschätzung jährlich rd. 30 Milliarden Euro fällig. Für die gerechte Gestaltung unserer Gesellschaft – vor allem die Entlastung des arg gebeutelten Mittelstandes – fehlt hingegen das Geld. Kein Wunder, dass die Bindungskräfte der politischen Volksparteien, denen diese vermeintlichen Fehlentwicklungen angelastet werden, schwinden.

Wie muss der Vollzug reagieren?

Der Vollzug hat es in den zurückliegenden Jahrzehnten sukzessive geschafft, kriminogenen Faktoren durch schulische und berufliche Förderung entgegen zu wirken. Die nordrhein-westfälischen Vollzugseinrichtungen sind zurecht stolz darauf, was sie in der Vergangenheit aufgebaut haben. Sie stellen jedoch zwischenzeitlich fest, dass sie Angebote für eine Klientel geschaffen haben, die mehr und mehr abnimmt. Menschen, die in dieser Gesellschaft aufgewachsen sind, die die kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kennen und die über eine Basis an schulischer Bildung verfügen, sind in den Vollzugseinrichtungen mittlerweile eine Minderheit.

Es wird folglich immer schwerer, die verfügbaren Ausbildungs- und Qualifizierungskapazitäten angemessen auszulasten. Und auch die schulische Qualifizierung muss immer früher ansetzen, weil mit einigen Gefangenen aufgrund einer bestehenden Sprachbarriere gar nicht ausreichend kommuniziert werden kann. Das Justizministerium hat daher eine Vollzugsdirektion geschaffen, die künftig das operative Geschäft koordiniert. Der Rest der Vollzugsabteilung kann sich dann der strategischen Ausgestaltung des Vollzuges widmen.

Der Vollzug verfügt über bewährte Kapazitäten der schulischen und beruflichen Bildung und damit über Mittel und Möglichkeiten, nachhaltig rückfallmindernd zu agieren. Was aber machen wir, wenn viele der Gefangenen die Voraussetzungen nicht mitbringen, solche Angebote anzunehmen? Was machen wir, wenn Inhaftierte solche Angebote aus persönlichen Gründen ablehnen?

Strafverbüßung im jeweiligen Heimatland prüfen

Es geht womöglich kein Weg daran vorbei, bei Nichtdeutschen zunächst die Bleibeperspektive nach der Entlassung zu klären. Erweisen sich die Aussichten als prekär, sollte alles darangesetzt werden, die Verbüßung einer in Deutschland erkannten Freiheitsstrafe im jeweiligen Heimatland zu realisieren. Schließlich sollen diese Straftäter in die Herkunftsgesellschaft integriert werden. Mit diesen Bemühungen kann nicht früh genug begonnen werden, während es für den hiesigen Vollzug eine spürbare Entlastung bedeuten würde.

Die rechtlichen Grundlagen sind mit der Strafprozessordnung und der Ratifizierung des Übereinkommens über die Überstellung verurteilter Personen geschaffen worden. Bislang wird von diesen Möglichkeiten jedoch nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. Dabei ist das Übereinkommen zwischenzeitlich von allen Ländern des Europarates ratifiziert worden. Häufiger sind Überstellungen nach einer Teilverbüßung. Gibt es keine belastbare Bleibeperspektive sollte der jeweilige Verurteilte im Heimatland bereits während der Strafvollstreckung auf ein Leben in der Herkunftsgesellschaft vorbereitet werden.

Auf Initiative des Bundesjustizministeriums ist 1992 die Deutsche Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit e.V. (IRZ) ins Leben gerufen worden. Die Stiftung unterstützt Staaten bei der Entwicklung rechtsstaatlicher Strukturen. Auch diese Einrichtung kann dazu genutzt werden, die Vollzugsverhältnisse in den Herkunftsländern westeuropäischen Standards anzugleichen.

Differenzierung der Gefangenen nach Behandlungsaspekten

Die heterogener gewordene Gefangenenklientel muss stärker als bislang üblich unter Behandlungsgesichtspunkten differenziert werden. Mit Blick auf die Clan-Kriminalität steht der Vollzug vor einem kaum zu beherrschenden Problem. Die Angehörigen arabischer Familienclans für eine schulische oder berufliche Qualifizierung zu interessieren,  stellt ein fast aussichtsloses Unterfangen dar, weil sie regelmäßig nicht motiviert werden können.

Wer sich im Laufe von drei Jahrzehnten mafiöse kriminelle Strukturen aufgebaut hat, die es ihm erlauben, selbst die Polizei – immerhin Träger des staatlichen Gewaltmonopols – herauszufordern, und wer dabei trotz überschaubarer intellektueller Fähigkeiten hohe Einkünfte aus Straftaten erzielt, der wird durch den Vollzug nur schwer zu überzeugen sein, sich zu qualifizieren um anschließend für einen Bruchteil seines früheren Einkommens einer ehrbaren Tätigkeit nachzugehen.

Zuvor müsste die Politik zunächst eine rechtsstaatliche Möglichkeit finden, Vermögen unklarer Herkunft verlässlich und sicher einzuziehen, falls nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass das Vermögen nicht aus Straftaten stammt. Zwar sind die Möglichkeiten des Vermögenseinzugs seit 2017 verbessert worden, doch ist diese neue rechtliche Möglichkeit immer noch ein stumpfes Schwert.

Clan-Kriminalität ist ein ernstes Problem

Nachdem wir die Clan-Kriminalität aus falsch verstandener Toleranz in einer Weise haben groß werden lassen, dass sie mittlerweile unsere rechtsstaatliche Ordnung gefährdet, müssen jetzt allein schon aus Gründen des Erhalts des Rechtsstaates schwerere Geschütze aufgefahren werden. Die Clan-Strukturen müssen zerschlagen werden, weil wir sonst auch beim Nachweis individueller Schuld Schiffbruch erleiden werden. Selbst einem Clan-Mitglied, das DNA-Spuren auf Einbruchswerkzeugen am Tatort zurücklässt, wird seine Täterschaft nur noch schwer nachgewiesen werden können, weil es sich immer durch den Hinweis, es habe das Werkzeug in der Wohnung eines kriminellen Clan-Mitgliedes benutzt, exkulpieren kann. Zeugen sind angesichts erwartbarer Konsequenzen kaum bereit, eine inhaltlich verwertbare Aussage zu machen.

Erst wenn es gelingt, bei den Familien-Clans die Einnahmen aus Straftaten versiegen zu lassen, wird der Vollzug in die Lage versetzt, auch bei diesem Personenkreis integrierend wirken zu können. So lange dies nicht der Fall ist, sind alle Bemühungen – von Einzelfällen vielleicht abgesehen – vergeblich, zumal eine Inhaftierung in diesen Kreisen vielfach als Auszeichnung angesehen wird.

Islamistische Gefährder fordern auch den Vollzug

Eine weitere problematische Gruppe stellen die islamistischen Gefährder dar, weil diese Personengruppe stets auf die Radikalisierung von Muslimen abzielt, um sie für den wahhabistischen Salafismus zu gewinnen. Der Wahhabismus nimmt für sich einen Alleinvertretungsrecht in Anspruch. Saudi-Arabien investiert viel Geld, um den Wahhabismus in alle Welt zu exportieren. Auch in deutschen Moscheen wird vorrangig diese äußerst konservative Form des Islam gelehrt und praktiziert.

Die Politik wird zwar nicht müde, so etwas Ähnliches wie einen Euro-Islam zu fordern und zu propagieren, tut aber nur wenig, damit sich ein Euro-Islam etablieren kann. Gehen progressive Moslems auf diese Forderung ein, werden sie meist von konservativen islamischen Kräften angefeindet und müssen vielfach unter Personenschutz gestellt werden, um ihre körperliche Unversehrtheit zu gewährleisten.

Dies veranlasst uns aber längst nicht, über die zerstörerische gesellschaftliche Wirkung des Wahhabismus nachzudenken. Nein, wir üben Toleranz auch gegenüber Entwicklungen, die nun wirklich rein gar nichts mehr mit der freien Religionsausübung zu tun haben. Wir akzeptieren, dass in deutschen Moscheen Menschen radikalisiert werden, dass überwiegend ausländische Imame predigen und dass sich die Instrumentalisierung von Muslimen in unseren Vollzugseinrichtungen fortsetzt.

Muslime werden auf diese Weise der ideologischen Beeinflussung durch ihre Herkunftsländer ausgesetzt, die sie einmal verlassen haben, um hier sicher und gut leben zu können. Erstaunlich ist auch, dass der Islam umso konservativer praktiziert wird, je größer der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung wird.

Für den Vollzug muss hieraus folgen, Muslime in den Vollzugseinrichtungen vor der Beeinflussung durch Salafisten präventiv zu schützen und ein wirkungsvolles Konzept der Deradikalisierung zu entwickeln, damit die Gefängnisse nicht zu Brutstätten eines erzkonservativen Islam werden, der mit den Werten unseres Grundgesetzes kaum kompatibel sein dürfte.

Wirkung der Sprachbarrieren ist nicht zu unterschätzen

Angesichts vieler Ausländer in den Vollzugseinrichtungen wirken naturgemäß auch Sprachbarrieren. Dies ist misslich, weil sich die Kommunikation dieser Gruppe ausschließlich auf Landsleute erstreckt und sie deshalb anfällig sind für subkulturelle Entwicklungen einschließlich einer beachtlichen Gewaltaffinität.

Auch für diese Gefangenengruppen bedarf es spezifischer Behandlungsansätze. Allein die Verfügbarkeit von Dolmetschern, um praktisch über Bande zu kommunizieren, ist nicht die Lösung. Neue Verhaltensweisen und Therapieansätze können nur Wirkung entfalten, wenn die Kommunikation unmittelbar erfolgt und das gesprochene Wort weitgehend vertraulich ist. Viele dieser Gefangenen weisen zudem gravierende Bildungsdefizite auf, so dass niederschwellige Bildungsangebote das Portfolio des Vollzuges ergänzen müssen. Für das vollzugliche Standardangebot erfüllt diese Personengruppe einfach nicht die Voraussetzungen.

Damit die Vollzugseinrichtungen allerdings beherrschbar bleiben und die Behandlungsangebote den Inhaftierten vermittelt werden können, ist es erforderlich, den Gefangenen Respekt vor der deutschen Rechtsordnung und vor den Vertretern des Staates zu vermitteln. Auch Muslime müssen akzeptieren, dass Frauen in Deutschland gleichberechtigt sind und sie Weisungen von Kolleginnen nachzukommen haben. Erst auf dieser Basis einer vernünftigen Kooperation ist ein behandlungsorientierter Vollzug gestaltbar. Diese einfache Erkenntnis werden alle – egal ob passiv oder aktiv - am Vollzug Beteiligte verinnerlichen müssen.

Friedhelm Sanker