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Berlin will rechte Gesinnung von Polizeibeamten in einer Datenbank erfassen.

Muss der öffentliche Dienst politisch überwacht werden?

Wir leben gegenwärtig in einer hysterischen Zeit. Die Gesellschaft ist zutiefst gespalten. Nachdem die Kirchen offensichtlich an Anziehungskraft verloren haben, finden viele Zeitgenossen einen Ersatz in politischen Überzeugungen, die mit missionarischem Eifer vertreten werden. Damit nehmen diese Überzeugungen den Charakter einer Ersatzreligion an.

Es geht nicht mehr um Fakten, sondern um die richtige Überzeugung, die richtige Einstellung, ja, den richtigen Glauben. In einem solchen gesellschaftlichen Umfeld verhärten sich naturgemäß die Fronten. Man ist nicht mehr bereit, sich mit abweichenden Positionen auseinanderzusetzen. Frei nach dem Motto: „Ich habe die richtige Überzeugung und du nicht!“ Dies ist eine schlechte Entwicklung für die Gesellschaft und für die Demokratie, die letztlich vom Kompromiss lebt. Vor diesem Hintergrund plant jetzt die Berliner Polizeiführung eine Datenbank gegen rechte Beamte aufzulegen, um mehr Transparenz zu schaffen.

Anlass für die Überlegungen der Berliner Polizeiführung war die Beschwerde einer Neuköllner Initiative, die sich für die Aufklärung rechtsextremistischer Straftaten einsetzt. Die Initiative hatte sich beschwert, dass ein Polizist bei einer Kundgebung vor dem Landeskriminalamt eine Rede gehalten haben soll, mit der er die NSU-Taten verharmlost und behauptet haben soll, 99 Prozent der Straftaten in Deutschland würden von Ausländern begangen. Dem Vernehmen nach soll es weitere Einzelfälle geben.

Sind die Erfahrungen der Polizeibeamten das Problem?

Obwohl die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik nach eigenem Bekunden keine Veranlassung hat, von Strukturen im Bereich der Rechtsorientierung auszugehen, sei die Belastung vieler Polizisten in schwierigen Kiezen Berlins allerdings geeignet, zu problematischen politischen Einstellungen zu gelangen. Hier seien die Beamten vielfach mit Problemen wie Respektlosigkeit und Widerstand konfrontiert. Nach Einschätzung der Spitzenpolizistin könne sich aus diesen Erfahrungen ein gewisses Zerrbild der Realität ergeben.

Einer solch absehbaren Entwicklung will Barbara Slowik mit drei Maßnahmen begegnen. So soll die Aus- und Fortbildung die Stressbewältigung verbessern und die Vermittlung interkultureller Kompetenzen fördern. Die Polizeiführung will für die Polizistinnen und Polizisten Supervisionen mit externen Psychologen einführen, um ein Ventil für den schwierigen und belastenden Dienst zu schaffen und zudem eine Rotation jener Polizisten vornehmen, die über lange Zeit stressigen und schwierigen Situationen ausgesetzt sind. Durch die Rotation soll bestimmten Prägungen und Einstellungen vorgebeugt werden.

Überblick über rechtsmotivierte Einstellungen und Vergehen

Um Transparenz zu schaffen und eine Übersicht über rechtsmotivierte Verstöße und Straftaten von Polizisten zu erlangen, soll eine Datenbank aufgebaut werden, die nach dem Willen der Berliner Polizeiführung das Ziel verfolgt, über rechtsextremistische Einstellungen und Entwicklungen in der Polizei aussagefähig zu werden. Mit der statistischen Erfassung solcher Ereignisse soll dieses Ziel jetzt erreicht werden.

Die Absicht der Berliner Polizeiführung ist durchaus kritisch zu sehen. Weshalb bedarf es eigentlich einer Datenbank. Die Polizei gehört zu jenen Bereichen, in denen das Personal vor der Einstellung auf Herz und Nieren geprüft wird. Für Fehlverhalten jeglicher Art haben wir das Strafrecht. Zudem können Dienstvergehen disziplinarisch geahndet werden. Dies sollte eigentlich ausreichen, um eine ordnungsgemäße Dienstausübung sicherzustellen.

Sollten Polizisten nicht vor Widerstand und Respektlosigkeit geschützt werden?

Interessant ist auch das Eingeständnis der Berliner Polizeipräsidentin, dass in schwierigen Berliner Kiezen Respektlosigkeit und Widersetzlichkeit gegen die Vertreter des Rechtsstaates an der Tagesordnung sind. Die Einführung von Rotationen, um rechten Einstellungen vorzubeugen, zeugt daher eher von Hilflosigkeit als von einer sachgerechten Problemlösung.

Wenn in Berlin und andernorts der Rechtsstaat so schwach auftritt, dass seine Repräsentanten attackiert werden können, ohne dass dies zu nennenswerten Konsequenzen führt, dann ist etwas faul in unserem Rechtsstaat, dann entwickeln wir uns zu einer Gesellschaft, in der das Faustrecht künftig wieder Bedeutung erlangen wird.

Wir sollten den Rechtsstaat stärken, nicht Polizisten überwachen

Aufgabe der Polizeiführung wäre es, dass Zurückweichen eines als durchsetzungsschwach empfundenen Staates zu beenden und notwendige Gesetzesänderungen bei der Politik anzumahnen, wenn das vorhandene Instrumentarium als nicht ausreichend erachtet wird. Stattdessen rechte politische Einstellungen und Taten der Polizisten (wieso eigentlich nur rechte?) zu erfassen, ist hilfloser Aktionismus und verkennt zum Teil Ursache und Wirkung. Nicht die Polizisten sind das Problem, sondern eher das migrationsbedingte Entstehen von Parallelgesellschaften und von teilweise rechtsfreien Räumen.

Die Entscheidung der Berliner Polizeiführung, eine solche Datenbank aufgrund der Beschwerde einer Bürgerinitiative einführen zu wollen, wird von den Betroffenen nicht gerade als Unterstützung ihrer Arbeit angesehen. Zumal die Polizeiführung selbst eingesteht, dass rechte Einstellungen bei Polizisten nur selten anzutreffen sind.

Dummerweise findet solcherlei Aktionismus sehr schnell Nachahmer. Deshalb sollten wir auf der Hut sein, um unser vitales Interesse daran, von unserem Dienstherrn nicht überwacht und bespitzelt zu werden, wehrhaft zu verteidigen. Denn ist eine Datenbank erst einmal implementiert, kann sie schnell ein Eigenleben entwickeln. Im vorliegenden Fall würde das Misstrauen in der Polizei Einzug halten und das wäre das Letzte, was dort jetzt gebraucht wird.

Friedhelm Sanker

Symbolfoto im Beitrag © animaflora / Fotolia.de