Verwendung von Cookies
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Drucken

Gesetzliche Krankenversicherung für alle?

Gesetzliche und private Krankenversicherung: Bertelsmann-Stiftung nimmt das duale System unter Beschuss

Das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist interessierten Kreisen schon lange aus rein ideologischen Gründen ein Dorn im Auge. Die Bertelsmann-Stiftung nimmt seit geraumer Zeit mit beauftragten oder eigenen Studien das System immer wieder mal unter Beschuss und sorgt so dafür, dass das Thema auf der politischen Agenda bleibt. Denn auch die Parteien des linken Spektrums können sich für eine Zwangsvereinheitlichung durchaus erwärmen.

Einige Bundesländer praktizieren bereits das „Hamburger Modell“, wonach den Nachwuchskräften eine einmalige Wahlmöglichkeit eröffnet wird. Hätten die öffentlichen Arbeitgeber dabei nur den Vorteil der Berufseinsteiger im Auge, würden sie die Wahl des jeweils günstigsten Modells zulassen. Dies ist allerdings nicht der Fall. Die Politik hofft vielmehr darauf, dass mit dieser Wahlmöglichkeit das Beihilfesystem auf Sicht überflüssig wird und sich auf diese Weise der Weg hin zur Bürgerversicherung öffnet.

Studie plädiert für eine Einheitsversicherung

Die durch die Bertelsmann-Stiftung beauftragte und jetzt vorgestellte Iges-Studie gelangt zu dem Ergebnis, dass der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung je nach Szenario zwischen 0,2 und 0,6 Prozentpunkte sinken könnte, wenn alle Bundesbürger gesetzlich versichert wären. In Euro würde dies durchschnittlich für jedes versicherte Mitglied und dessen Arbeitgeber jeweils im Schnitt 72,50 Euro pro Jahr ausmachen. Für ein so überschaubares Ergebnis ein bewährtes System zu liquidieren, hieße die bisherigen Fehler im Gesundheitswesen in die Zukunft fortzuschreiben.

Die Berliner Studie basiert auf den aktuellsten Daten (2016) aus einer jährlich durchgeführten Wiederholungsbefragung von rund 12.000 Haushalten. Derzeit sind rund 8,8 Millionen Menschen privat versichert. Die gesetzliche Krankenversicherung zählte 2016 rund 70,4 Millionen Versicherte, derzeit sind es wegen der Zuwanderung gut 73,2 Millionen.

Die Vergütung für niedergelassene Ärzte falle bei Leistungen für Privatpatienten etwa 2,5-fach höher aus. Zahle man den Ärzten für die Honorarverluste einen entsprechenden Ausgleich, so die Kalkulation der Simulation, dann könne ein um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte niedrigerer Beitragssatz erzielt werden. Folglich hält sich das realisierbare Einsparpotential doch arg in Grenzen.

Ideologische Motivation ist Gift für eine sachgerechte Lösung

Bertelsmann zählt zu den großen Unternehmen in Deutschland und würde folglich von der Einbeziehung der Mitglieder der Privatversicherer in die gesetzliche Krankenversicherung unmittelbar durch geringere Arbeitgeberanteile profitieren. Das Ergebnis der Studie dürfte dieser Interessenlage durchaus Rechnung getragen haben.

Die Betroffenen erinnern sich noch gut daran, dass die weitgehende Privatisierung unserer Krankenhäuser und die Umstellung auf Fallpauschalen einen heftigen Pflegenotstand verursacht haben. Schließlich wollten die Krankenhausbetreiber auch noch etwas verdienen. Der Pflegenotstand, an sich entstanden durch Personalreduzierungen zur Gewinnmaximierung, fällt jetzt aber nicht den privaten Krankenhausbetreibern auf die Füße, vielmehr werden die Kosten den Krankenkassen aufgebürdet.

Reaktionen auf die Studie

Für den dbb und tarifunion hat Ulrich Silberbach erklärt, dass mit der Studie vorgeschlagen werde, sich auf einen Irrweg zu begeben. Die Studie sei völlig ungeeignet, ein Äquivalent für unser gutes Gesundheitssystem zu verkörpern. Die Ergebnisse der Studie verfolgten ideologische Ziele und missachteten die Rechtslage.

Für die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände erklärte deren Chef Steffen Kampeter: „Das duale Gesundheitssystem aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung muss erhalten bleiben. Der Wettbewerb stabilisiert in Deutschland eine hohe Qualität der Versorgung. Er wirkt zudem effektiv als Kostenbremse im Gesundheitswesen.“ Viel wichtiger sei es, durch Reformen die Kosten des deutschen Gesundheitssystems zu senken. 

Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt sprach von „mehr als zweifelhaften Zahlenspielereien“ und einem Griff in die ideologische Mottenkiste. Schon rein rechtlich wäre es nicht möglich, alle Privatversicherten in die gesetzliche Krankenversicherung zu überführen. Schließlich hätten sie über viele Jahre Altersrückstellungen aufgebaut. Eine Einheitsversicherung werde zudem auch zu Rationierung, mehr Wartezeiten und Begrenzung von Leistungen führen.

„Hände weg vom bewährten System der Beihilfen!“

In Düsseldorf hat BSBD-Chef Ulrich Biermann klargestellt, dass die Beihilfe ebenso wie Besoldung und Versorgung wesentlicher Bestandteil der Alimentation von Beamten durch ihren jeweiligen Dienstherrn ist und damit unter dem Schutz des Artikels 33 Abs. 5 des Grundgesetzes steht.

„Die vorgelegte Studie zielt erkennbar darauf ab, jene politischen Kräfte zu unterstützen, die aus ideologischer Motivation heraus der Forderung nach einer Bürgerversicherung das Wort reden. Bislang ist der Staat mit dem Beihilfesystem kostengünstig gefahren. Vorsicht und Skepsis hinsichtlich der Prognosen der Studie sind daher mehr als angebracht. Für den BSBD sage ich deshalb unmissverständlich: ‚Hände weg vom bewährten System der Beihilfen!‘“, kritisierte der Gewerkschafter die von der Bertelsmann-Stiftung beauftragte Studie als tendenziös und erkennbar interessengeleitet.

„Das Beihilfesystem ist ein wesentliches Element des Beamtentums und trägt zu dessen Attraktivität bei. Angesichts der bereits überaus schwierigen Nachwuchsgewinnung sollten wir diesen Vorteil nicht aufgeben“, stellte der Gewerkschafter klar. Er hob zudem hervor, dass eine Einheitskasse kein wünschenswertes Ziel sei. Am Beispiel unserer Nachbarn in Großbritannien sei ablesbar, was eine Bürgerversicherung bedeute: Schlechter Transfer des medizinischen Fortschritts in das Leistungsangebot und mangels Alternativen lange Wartezeiten für die Versicherten. Ulrich Biermann sieht seine Aufgabe deshalb darin, gemeinsam mit dem dbb nachdrücklich für den Erhalt des bewerten Beihilfesystems zu kämpfen.

Friedhelm Sanker

Bild:© AdobeStock