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Die Nachwuchsgewinnung gestaltet sich auch in Zeiten der Corona-Pandemie schwierig. Die Anwärterbesoldung muss versuchen, diese Lage durchgreifend zu verbessern.

Anwärtersonderzuschlag: Zahlung für den Einstellungsjahrgang 2021 auf dem Prüfstand

Der Anwärtersonderzuschlag für die Laufbahnbewerber des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes werden alljährlich auf ihre weitere Berechtigung überprüft. Derzeit ist das diesjährige Überprüfungsverfahren angelaufen. Der Finanzminister des Landes macht seine Zustimmung regelmäßig davon abhängig, ob auch ohne die Zuschläge in ausreichendem Umfang Nachwuchskräfte rekrutiert werden können.

Auch die Intensivierung und Professionalisierung der Werbung um geeigneten Nachwuchs hat bislang nicht verhindern können, dass immer noch erhebliche personelle Vakanzen im Vollzug bestehen. Nach Auffassung des BSBD ist jetzt ein Befreiungsschlag notwendig, um die Personalmisere zu beenden. Für den Einstellungsjahrgang 2021 ist die Zahlung eines deutlich erhöhten Zuschlages notwendig.

Wegen fortdauernder Schwierigkeiten, geeignete Nachwuchskräfte für ein berufliches Engagement im Strafvollzug zu interessieren, vertritt der BSBD seit Jahren die Auffassung, dass eine grundsätzliche Verbesserung nur durch zusätzliche finanzielle Anreize erzielt werden kann. Der BSBD tritt folglich seit langem für die Anhebung der Anwärtersonderzuschläge für beide Laufbahnen auf 90 Prozent des Grundbetrages ein.

Dieser Forderung ist bislang seitens des NRW-Finanzministeriums nicht entsprochen worden. Weil sich Hunderte von freien Stellen immer noch nicht haben besetzen lassen, verwundert die Haltung des Finanzministeriums doch sehr. Vielleicht hofft die Politik in der gegenwärtigen Situation darauf, dass die gravierenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf dem Arbeitsmarkt praktisch von alleine dafür sorgen, dass die Attraktivität der Arbeitsplätze im Vollzug steigt. In diesem Fall dürfte sie jedoch einem Trugschluss unterliegen.

Der Vollzug benötigt einen Befreiungsschlag

Da der Vollzug ein schwieriges Berufsfeld ist und vorrangig Kräfte gesucht werden, die bereits über Berufs- und Lebenserfahrung verfügen, muss die Anwärterbesoldung so hoch sein, dass sich geeignete Bewerberinnen und Bewerber einen Berufswechsel auch leisten können. Gerade die Erfahrungen dieses Bewerberkreises würden die Wahrnehmung des Behandlungsauftrages nachhaltig begünstigen. Diese Personengruppe ist aber erfahrungsgemäß vielfach in finanzielle Verpflichtungen eingebunden, die mitunter die Aufnahme einer erneuten Berufsausbildung verhindern. Um bei der Anwerbung gerade solcher Bewerber nicht chancenlos zu sein, ist die Gewährung der Anwärtersonderzuschläge und deren Anhebung aus Sicht der Gewerkschaft Strafvollzug unverzichtbar.

Weil hier in der Vergangenheit geknausert wurde, konnten viele grundsätzlich geeignete Nachwuchskräfte nicht gewonnen werden. Die gravierende Nebenwirkung dieses zögerlichen Handelns ist, dass die derzeitige Überlastung des vorhandenen Personals nicht zurückgeführt werden kann. Zu Beginn des Jahres hatten wird über die Weitergewährung der Zuschläge für den Einstellungsjahrgang 2020 berichtet und gleichzeitig vermeldet, dass der Finanzminister für die Laufbahn des Werkdienstes sein Einverständnis zur Erhöhung des Zuschlages auf 60 Prozent des Grundbetrages erklärt hat. Der BSBD sieht diese unterschiedliche Behandlung der beiden betroffenen Laufbahnen sehr kritisch. Aus dem Justizministerium verlautete hierzu, dass die unterschiedlichen Kriterien des jeweiligen Laufbahnzugangs hierfür ausschlaggebend gewesen seien. Der BSBD hält diese Argumentation für nicht sehr überzeugend. Die Anwärtersonderzuschläge sollen schließlich ermöglichen, dass auch berufs- und lebenserfahrene Nachwuchskräfte die finanzielle Durststrecke einer zweiten Berufsausbildung überstehen können, ohne sich verschulden zu müssen. Die Zugangsvoraussetzungen für die jeweilige Laufbahn sind da lediglich von nachrangiger Bedeutung.

Das Problem ist richtig erkannt; es mangelt aber an konsequentem Handeln!

Zu Beginn des Jahres 2019 hatte sich Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) für deutlich attraktivere Bezahlstrukturen im öffentlichen Dienst stark gemacht. Dies muss vor allem und vorrangig für die Nachwuchskräfte gelten, denn zunächst müssen die vorhandenen Stellen besetzt werden, bevor das dann vorhandene Personal perspektivisch gefördert werden kann. Speziell in der Corona-Krise arbeiten die Strafvollzugsbediensteten bereits jenseits der Grenze des Zumutbaren. Es ist jetzt dringend an der Zeit, das erforderlich Personal an Bord zu nehmen.

Das Ministerium der Justiz hat im vergangenen Jahr eine PR-Agentur mit der Werbung um Nachwuchskräfte betraut. Nach Auffassung des BSBD müssen allerdings auch finanzielle Rahmenbedingungen geschaffen werden, die überzeugend attraktiv sind, damit die vorhandenen Stellen zeitnah besetzt werden können. Ohne zusätzliche finanzielle Anreize wird der Vollzug auch während der Corona-Pandemie nicht auskommen.

Die Konkurrenz um geeigneten Nachwuchs hat sich in den letzten Jahren dermaßen verschärft, dass es den Vollzugseinrichtungen zunehmend schwerer fällt, Bewerberinnen und Bewerbern für ein berufliches Engagement im Strafvollzug zu gewinnen. Das Werben um Nachwuchskräfte wird in der derzeitigen Krisensituation vielleicht etwas einfacher, nach den bisherigen Erfahrungen wird das jedoch nicht ausreichen, um alle freien Stellen besetzen zu können. Der BSBD tritt deshalb für einen Befreiungsschlag ein, um das seit Jahren verschleppte Personalproblem des Vollzuges grundlegend zu lösen.

Nachwuchsgewinnung ist eine Führungsaufgabe

In der Zeit nach der Pandemie wird sich die einmalige Chance ergeben, Menschen, die durch die Krise ihren Arbeitsplatz zu verlieren drohen oder bereits verloren haben, für den Strafvollzug zu interessieren. Bis vor wenigen Monaten wurden in vielen Branchen bereits „Kopfprämien“ und "Handgelder" gezahlt, wie man dies bislang nur aus dem Profi-Sport kannte. Der öffentliche Dienst hat sich in „vornehmer Zurückhaltung“ geübt. Der BSBD tritt für mehr Mut ein, damit die sich jetzt ergebende Chance nicht ungenutzt verstreicht. Dieser Mut wäre finanziell verkraftbar, weil das Finanzministerium seine Einschätzung schließlich von Jahr zu Jahr ändern kann. Sich jetzt erst Schritt für Schritt langsam an eine angemessene Anwärterbesoldung heranzutasten, ist nach Einschätzung des BSBD letztlich der teurere Weg, um in diesem Bereich Konkurrenzfähigkeit zu beweisen.

BSBD-Chef Ulrich Biermann spricht dafür aus, die Nachwuchsgewinnung als Führungsaufgabe anzusehen, denen sich die Leitungen der Vollzugseinrichtungen intensiv widmen sollten, um endlich das Personalproblem in den Griff zu bekommen. Nachdem Hunderte von Stellen unbesetzt seien, dürften die Chancen eines sich vergrößernden Arbeitsmarktes nicht vertan werden. Immerhin warte das vorhandene Personal seit Jahren auf die so dringend erforderliche Entlastung. „Jetzt ist auch die Politik gefordert, die erforderlichen finanziellen Anreize zu schaffen, damit der Vollzug eine Einstellungsoffensive starten kann, die diesen Namen auch verdient“, erklärte der Gewerkschafter.

Der BSBD wird mit seiner Stellungnahme zur Gestaltung der Anwärtersonderzuschläge für den Einstellungsjahrgang 2021 seine Forderungen erneuern und auf Verbesserungen drängen. Nach zahlreichen Gesprächen mit der Politik waren wir überzeugt, die Schwierigkeiten der Nachwuchsgewinnung seien verstanden worden. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis auch im Finanzministerium durchsetzt.

Anhebung der Anwärterbesoldung unverzichtbar

Der BSBD wird angesichts der prekären Situation bei der Nachwuchsgewinnung auf seiner Forderung beharren, die Sonderzuschläge in Zukunft auf 90 Prozent des Grundbetrages für die Laufbahnen des Allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes zu erhöhen.

Daneben hält es der BSBD für erforderlich, die Zahlung eines Sonderzuschlages auch für die Laufbahnen des mittleren Verwaltungsdienstes und des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes vorzusehen. Bei der Gewinnung geeigneter Nachwuchskräfte muss es dem Vollzug ermöglicht werden, unausgesetzt konkurrenzfähig zu sein.

Wird als notwendig erkanntes Handeln zu lange hinausgezögert, besteht die konkrete Gefahr, dass mittelfristig geeignete Bewerberinnen und Bewerber kaum noch in nennenswertem Umfang für ein berufliches Engagement im Strafvollzug gewonnen werden können. Einer solch absehbaren Entwicklung muss unbedingt entgegengewirkt werden, weil sonst die Überlastung des vorhandenen Personals nicht beendet werden kann. Die Politik riskiert in diesem Fall nicht nur den Rückgang der Motivation beim Personal, sondern auch einen Qualitätsverlust bei der Vollzugsgestaltung. Im Interesse des gesellschaftspolitischen Auftrages des Strafvollzuges und nicht zuletzt im Hinblick auf die Sicherheit der Allgemeinheit sollten diese Risiken unbedingt vermieden werden.

Wenn die Politik die Personalprobleme in zu kleinen Schritten beheben will, dann läuft sie Gefahr, die Zukunftsfähigkeit des NRW-Strafvollzuges aufs Spiel zu setzen. Die demographische Entwicklung wird durch die gegenwärtige Krisensituation schließlich nicht beseitigt. Nach der Pandemie werden leistungsstarke Kräfte auf dem Arbeitsmarkt wieder verstärkt nachgefragt werden. Dann wird die Konkurrenz der Privatwirtschaft im Vergleich mit dem öffentlichen Dienst mit den deutlich höheren Anfangsgehältern werben. Im Interesse der Gesellschaft sollten wir die für die Personalwerbung günstige Situation am Arbeitsmarkt nutzen, um den Vollzug personell besser aufzustellen.

Friedhelm Sanker

Foto im Beitrag © Heinz-Georg Klein/BSBD