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Kann Deutschland kein Krisenmanagement mehr?

Es gab Zeiten, da war Deutschland auf Eventualfälle von der Katastrophe bis zur kriegerischen Auseinandersetzung vorbereitet und hielt auch Sachmittel präventiv für einen solchen Fall vor. Nach dem Ende des Kalten Krieges war die Politik dann jedoch der Auffassung, solcherlei Vorsorge bedürfe es zukünftig nicht mehr. Diese Kosten könne man sich sparen. Die Konsequenzen dieser Strategie lassen sich jetzt konkret im Land besichtigen.

Der Shutdown führt zu immensen wirtschaftlichen Verwerfungen, die Existenzen bedrohen und die Arbeitslosigkeit steigen lassen. Plötzlich stellt die Politik fest: Der Verzicht auf vorbeugende Vorsorge kann sehr teuer werden.

Doch es geht nicht nur ums Geld. Die Politik lernt einfach zu langsam aus gemachten Fehlern. Die mangelnde Digitalisierung, die Privatisierung des Gesundheitswesens und der Personalmangel im öffentlichen Dienst tritt besonders in Zeiten der Pandemie signifikant und unter negativen Vorzeichen zu Tage. Jetzt hätte man glauben können, die Politik habe aus den Problemen bei der Beschaffung von Schutzausrüstungen und Masken im Frühjahr 2020 gelernt. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein.

Beim Impfstoff wiederholt sich das Desaster der Maskenbeschaffung

Im Frühjahr setzten sich jene Aufkäufer durch, die bereit waren, den höchsten Preis zu zahlen. Dass dies bei der Impfstoffbeschaffung nicht viel anders laufen würde, hätte man folglich wissen können. Dann noch die Europäische Union (EU) in den Beschaffungsprozess einzuschalten, barg ein zusätzliches Risiko, nämlich die deutliche Verlangsamung des Beschaffungsprozesses. Alle Verhandlungspositionen mussten mit 26 Ländern abgestimmt werden. Es setzte sich schließlich die Position durch, nicht zu viel Geld für den Impfstoff auszugeben. Die wirtschaftliche Betrachtung der Konsequenzen einer zu zögerlichen Impfstoffbeschaffung blieben außen vor. Außerdem wurde bei den Mengen geknausert. Indem Deutschland keine nationalen Auffangmaßnahmen ergriff, war man auf die EU auf Gedeih und Verderb angewiesen und gab folglich eigene Handlungsoptionen auf.

Jetzt ist die Politik überrascht, dass Lieferschwierigkeiten, die auf Produktionsengpässen beruhen, stets zu Lasten der Europäischen Union gehen. Aber auch dies hätte man wissen können. Denn warum sollen Biontech/Pfizer, AstraZeneca und Moderna ausgerechnet jenen Staaten die Liefermengen kürzen, die wesentlich früher bestellt und wesentlich höhere Preise gezahlt haben?

Impfstoffmangel könnte Ausgang der diesjährigen Wahlen beeinflussen

Der akute Mangel an Impfstoffen, dies schwant jetzt allen Akteuren, wird eventuell Auswirkungen auf die Ergebnisse der in diesem Jahr anstehenden Wahlen haben. Jetzt ist guter Rat teuer. Die aggressive Auseinandersetzung mit den Impfstoffproduzenten ist nichts weiter als ein Showgefecht. Die Politik befindet sich in einer schwachen Position. Bevor Klagen auf Einhaltung der geschlossen Verträge erfolgreich sein könnten, ist bestimmt die vierte und fünfte Welle der Pandemie übers Land gerollt. Die einzig sinnvolle Alternative besteht wohl darin, den Impfstoffproduzenten finanziell entgegenzukommen, damit sie zusätzliche Produktionsstätten aktivieren und die Impfstoffherstellung ausweiten.

An den jetzt einberufenen Impfgipfel sollte man keine großen Erwartungen knüpfen. Es handelt sich um eine Massenveranstaltung von der Transparenz erwartet werden darf, aber keine Lösung der aktuellen Probleme.

Weil die Politik von Beginn an auf die Einschränkung der persönlichen Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger gesetzt hat und im Impfen die Überwindung der Corona-Pandemie sah, ist es so beschämend, dass die Bundesregierung im Gegensatz zu anderen Ländern nicht sichergestellt hat, dass die vereinbarten Liefermengen auch tatsächlich zum vereinbarten Termin verfügbar sind. Dies hätte nicht passieren dürfen! Wenn die Impfung die einzige Option ist, dann ist Geschwindigkeit gefordert. Ansonsten läuft man Gefahr, dass die verfügbaren Impfstoffe durch Virusmutationen unwirksam werden.

Jetzt rächt sich, dass die Bundesregierung bei allen Maßnahmen gegen das Virus auf Sicht gefahren ist und keine Strategie zur Überwindung der Pandemie entwickelt hat. Es hätte im schlimmsten Fall ja auch sein können, dass kein wirksamer Impfstoff entwickelt worden wäre. Für diesen Fall hätte es einer alternierenden Planung bedurft. Der Shutdown kann schließlich nicht die endgültige Lösung sein.

Biontech kündigt zusätzliche Impfdosen an

Als kleiner Lichtblick zeichnet sich ab, dass der Pharmakonzern Bayer 160 Mio. Impfdosen des von der Tübinger Firma CureVac entwickelten Impfstoffes produzieren will. Leider befindet sich der Impfstoff erst in der dritten Testphase. Eine Zulassung wird in den kommenden Monaten erwartet. Und auch die Mainzer Firma Biontech hat angekündigt, noch im zweiten Quartal des Jahres weitere 75 Mio. Impfdosen liefern zu können.

Vielleicht haben wir Glück und schaffen es tatsächlich, allen Impfwilligen bis zum Sommer ein Impfangebot machen zu können. Allerdings sollte Glück künftig keine bestimmende Kategorie für die Politik sein. Von unseren Politikern erwarten wir Vernunft, Einsichtsfähigkeit in das Notwendige und das verantwortliche Handeln auf der Grundlage wissenschaftlicher Expertise.

Impfstoffmangel eignet sich nicht als Wahlkampfthema

Wenn jetzt aber seitens der SPD der Versuch unternommen wird, die mangelnde Verfügbarkeit von Impfstoffen zu einem Wahlkampfthema zu machen, dann hat dies mit Verantwortung für unser Land nur noch sehr wenig zu tun. Die konzertierte Aktion von Spitzenpolitikern der Partei lässt nicht Gutes für die Bewältigung der Corona-Pandemie erwarten.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die Bundeskanzlerin angeschrieben und die Aufstellung eines „nationalen Impfplans“ gefordert. In gleicher Weise äußerten sich die Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer und Manuela Schwesig. Zuvor hatten SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich und Carsten Schneider eine verlässliche Planung verlangt, wann welcher Impfstoff für welche Gruppe zur Verfügung steht.

Die Sozialdemokratie will sich offenbar vom Koalitionspartner absetzen und den Wählerinnen und Wählern klarmachen, für das Impfdesaster sei einzig und allein die Union verantwortlich. Die SPD, die immer noch bei 15 Prozent Zustimmung herumdümpelt, versucht es jetzt mit einem Frontalangriff auf den eigenen Koalitionspartner.

Sich in einer Krisensituation aus der Verantwortung zu stehlen, ist noch nie eine gute Idee gewesen. Bei auftretenden Schwierigkeiten alle Verantwortung und Schuld von sich zu weisen, deutet vielmehr darauf hin, dass die Betreffenden weder willens noch in der Lage sind, Verantwortung für unser Land zu tragen.

Friedhelm Sanker

Bild: natali_mis/stock.adobe.com