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Homeoffice im Vollzug – Risiko oder doch eher eine Chance

Der Frauenanteil hat sich im Vollzug in den zurückliegenden Jahrzehnten erheblich erhöht. Deshalb ist auch das Homeoffice zu einem Sehnsuchtsmodell geworden, Arbeit und Familie besser unter einen Hut zu bekommen. Dabei basiert die Arbeit mit Delinquenten auf unmittelbarer Kommunikation, auf Beaufsichtigung und Betreuung. Diese Arbeitsfelder sind für das Homeoffice kaum geeignet.

Trotzdem sollte man das Thema nicht gleich beiseiteschieben. Die Corona-Pandemie hat uns nämlich gezeigt, dass der Umfang von Homeoffice bislang nur in einem geringen Umfang ausgeschöpft war. Auch für den Bereich des Vollzuges gilt: Wo ein Wille ist, da ist meist auch ein Weg!

Im Januar 2021 hat die Bundesregierung eine Rechtsverordnung auf den Weg gebracht, um die Heimarbeit deutlich auszuweiten. Die Unternehmen sind seither bis zum 15. März 2021 verpflichtet, ihren Beschäftigten anzubieten, von Zuhause aus zu arbeiten, wenn es sich um Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeiten handelt. Hintergrund ist der aktuelle Shutdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Unnötige Kontakte sollen möglichst unterbunden werden.

Befassen wir uns zunächst einmal mit den Vorteilen des Homeoffice. Auf diese Weise laufen wir nicht in die Falle, das Problem mit naheliegenden „Totschlagargumenten“ von vornherein zu beerdigen.

Das Homeoffice steigert die Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit

Die Heimarbeit verdankt ihre Attraktivität nicht zuletzt dem Umstand, dass Arbeit, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, die Hausarbeit, das Ehrenamt oder auch die Freizeitgestaltung besser aufeinander abgestimmt werden können. Vorausgesetzt ist allerdings, Mann oder Frau können sich gut organisieren und verfügen über die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren. Die Organisation des Tagesablaufs gelingt am besten mit festen Zeiten für die Arbeit und für private Tätigkeiten. Diese Organisation stellt sicher, das durchgängig vorhandene Risiko der Ablenkung zu reduzieren.

Heimarbeiter sollten sowohl ihrer Familie als auch Vorgesetzte und Arbeitskollegen mitteilen, wann sie arbeiten und wann private Zeit ansteht. Eine strikte räumliche Trennung, möglichst ein eigenes Arbeitszimmer, wäre die günstigste Voraussetzung, um für längere Zeit erfolgreich von Zuhause aus zu arbeiten. Im Notfall sollte sich der Heimarbeiter konsequent abgrenzen und die Kontaktsuche von Partner und Kindern unterbinden. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Freizeit tatsächlich freie Zeit sein muss. Dann sollten Homeoffice-Mitarbeiter nicht erreichbar sein, keine Mails checken, sondern wirklich entspannen.

Flexibel arbeiten und flexibel leben

Statt feste Bürozeiten einzuhalten, kann der Heimarbeiter seinen Tag individuell planen und gestalten. Heimarbeiter können ohne zeitlichen Stress am Morgen die Kinder in die Kita bringen oder versorgen, bevor sie zur Schule müssen. Wenn sich tagsüber Handwerker ansagen oder am Nachmittag Zeit für den Nachwuchs wichtig ist, können Heimarbeiter ihre eigene Arbeit notfalls in die Abendstunden verlegen. Ganz nebenbei eröffnet sich für Heimarbeiter die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten am eigenen Biorhythmus ausrichten zu können.

Die Heimarbeit ist meist noch wesentlich flexibler als Gleitzeitmodelle. Wer gerne lange schläft und dafür abends konzentriert arbeitet, kann das im Homeoffice erfolgreich umsetzen. Aber auch der „Frühe Vogel“, der am liebsten schon morgens um 5 Uhr die wichtigsten Dinge erledigt, kann dies entsprechend organisieren.

Konzentration auf das Wesentliche

Neuere Studien haben ergeben, dass Mitarbeiter im Homeoffice oft mehr Arbeit ableisten, als dies im Büro der Fall ist. Sie können sich voll auf ihre Aufgaben konzentrieren, werden nicht durch gesprächige Kollegen oder den Lärm eines Großraumbüros abgelenkt. Zudem wird weniger Zeit mit überlangen oder zu vielen Besprechungen verbracht. Wer im Homeoffice arbeitet, kommuniziert meist per Telefon, Skype, Teams oder ähnlichen Konferenzsystemen. Virtuelle Besprechungen sind oft zielgerichteter, kürzer und damit effektiver als Präsenzveranstaltungen.

Weniger Fahrten zur Dienststelle, weniger Pendlerstress

Pendeln zum und vom Arbeitsplatz gilt als einer der größten Stressfaktoren für den modernen Menschen. Reduziert sich Ihr Arbeitsweg von vielen Kilometern auf einige Meter, gewinnen Sie sehr viel Zeit. Hinzu kommt, dass die mentale Belastung in Staus oder überfüllten Bahnen entfällt.

Ein angenehmer Nebeneffekt: Ihr Risiko, sich in der Grippe- und Erkältungssaison bei Kollegen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln anzustecken, ist viel geringer. Speziell dieser Aspekt spielt jetzt die bedeutendste Rolle bei der Pandemiebekämpfung. Es ist also sehr gut möglich, dass Heimarbeiter entspannter, glücklicher und seltener krank sind. Darüber hinaus wird das Klima geschont: Insbesondere bisherige Autofahrer, die ins Homeoffice „wechseln“, verursachen deutlich weniger CO2-Ausstoß und verbrauchen damit weniger Ressourcen.

Für Behörde und Arbeitnehmer reduzieren sich die Kosten

Arbeitnehmer im Homeoffice sparen nicht nur Zeit und Nerven durch den Wegfall des Pendelns, sondern gleichzeitig auch die Kosten. Die Steuervorteile (Absetzen von Werbungskosten), die Arbeitnehmer für den Arbeitsweg geltend machen können, kompensieren die Fahrkosten meist nicht vollständig.

Der Arbeitgeber wiederum spart ebenfalls: Er kann Sozialkosten und sogar Raumkosten reduzieren. Arbeitet ein bestimmter Teil der Belegschaft dauerhaft oder häufig zuhause, kann die Behörde die Büroflächen verkleinern. Meist geht dies damit einher, dass feste Präsenzarbeitsplätze abgeschafft werden. Wer ins Büro kommt, sucht sich mit seinem Laptop einen freien Arbeitsplatz.

Die Heimarbeit hat allerdings nicht nur Vorteile, sondern auch ernst zu nehmende Aspekte, die im Vorfeld bedacht werden sollten und die gegen die Arbeit in der eigenen Wohnung sprechen könnten.

Schnell abgelenkt von der Arbeit?

Die Kinder oder der Partner stören mitunter, der Paketbote klingelt, die Küche muss schnell noch aufgeräumt werden. Solche Einflüsse können leicht von der beruflichen Arbeit ablenken. Wer sich räumlich und zeitlich nicht klar abzugrenzen vermag, wird gerne angesprochen oder „mal kurz“ um Hilfe gebeten. Als Heimarbeiter steht man permanent in der Gefahr, sich zu verzetteln und überfordert zu werden. Wenn Termine drücken, gleichzeitig aber das Gefühl plagt, den Angehörigen oder dem häuslichen Alltag nicht gerecht zu werden, dann ist gesundheitliche Gefahr im Anmarsch.

Isoliertes Arbeiten ist Gift für die Motivation

Trotz digitaler Kommunikation kann die Arbeit im Homeoffice zur Vereinsamung führen. Heimarbeiter lassen sich leichter demotivieren. Oder sie verlieren das Ziel, den Sinn und den Zweck ihrer Arbeit aus den Augen. Das soziale Miteinander, das Abstimmen von Arbeitsaufgaben, die Anerkennung und Motivation durch Kollegen und Vorgesetzte können im Homeoffice zu kurz kommen.

Auch vom berühmten „Flurfunk“ ist der Heimarbeiter abgeschnitten. Informelle, aber durchaus wichtige Gespräche mit Kollegen reduzieren sich nach und nach. In diesem Punkt sind die Heimarbeiter, die Kollegen sowie die Vorgesetzten gefragt, für einen kommunikativen Ausgleich zu sorgen. Regelmäßige Präsenztreffen sind folglich unerlässlich.

Was ist mit der Anerkennung der Arbeitsergebnisse?

Wenn ein Teil der Beschäftigten im Homeoffice, ein anderer Teil in der Dienststelle arbeitet, besteht die latente Gefahr es Entstehens einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“. Die im Homeoffice erbrachten Leistungen werden unter Umständen nicht mehr angemessen wahrgenommen und bewertet. Das birgt die konkrete Gefahr, dass Heimarbeiter bei anstehenden Beförderungen regelrecht übersehen werden. Selbst wenn Führungskräfte die Arbeitsergebnisse im Homeoffice anerkennen, heißt das nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen das auch tun. Ob aus Neid, Machtstreben oder auch ganz unbewusst – häufig werden die Leistungen der „unsichtbaren“ Heimarbeiter von Präsenzkräften übersehen oder heruntergespielt.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Ein häufiges Vorurteil gegenüber der Heimarbeit lautet, dass Heimarbeiter weniger leisten als die Kollegen, die in der Dienststelle präsent sind. Tatsächlich können fehlende Präsenz sowie die Abwesenheit von Vorgesetzten und Büronachbarn dazu führen, dass sich einzelne Heimarbeiter entspannt zurücklehnen. Wer es im Büro zuhause wirklich darauf anlegt, kann sogar elektronische Zeiterfassungs- oder Dokumentationssysteme überlisten, um Aktivität lediglich vorzugaukeln.

Hier ergibt sich für Führungskräfte das Erfordernis, das Verantwortungsgefühl und die Selbstorganisation ihrer Heimarbeiter richtig einzuschätzen. Sie müssen motivieren durch virtuelle und reale Kontakte und sie müssen mittels eigener fachlicher Expertise in der Lage sein, die Leistungen der Mitarbeiter angemessen zu beurteilen.

Ausgebrannt im Homeoffice?

Wer sich beim Arbeiten zuhause nicht richtig organisiert, strukturiert und motiviert, wird möglicherweise zu wenig oder zu viel leisten. Viele Menschen in Heimarbeit plagt ein schlechtes Gewissen gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen. Das Vorrecht, zuhause arbeiten zu können, soll dann vielfach durch extreme Leistungen gerechtfertigt werden.

Eine weitere Gefahr, die im heimischen Büro lauert, besteht darin, nie richtig abschalten zu können. Wer Smartphone, Laptop oder gar den eigenen Schreibtisch in der Nähe hat, der gerät schnell in Versuchung, nach Feierabend oder am Wochenende noch die ein oder andere Aufgabe zu erledigen. Dann können Belastungen schnell in Dauerstress umschlagen. Wenn Heimarbeit und private Aufgaben nur schwer getrennt werden können, sind oftmals Frust, Streit bei der Arbeit oder in der Familie die Folge. Bis zur Erkrankung oder gar zu einem Burn-Out-Syndrom ist es dann nicht mehr weit.

Das vorläufige Fazit

Heimarbeit bietet Vorteile für Beschäftigte und Behörden – wenn sie richtig gemacht wird. Heimarbeiter, die Verantwortung für sich selbst, ihre Tagesstruktur und ihre Arbeitsaufgaben übernehmen können, sind im Homeoffice erfolgreich. Sie werden durch die Möglichkeit, Privat- und Familienleben sowie den Beruf besser miteinander zu vereinbaren, zufriedener und leistungsfähiger.

Die Dienststelle profitiert von qualitativ besseren Arbeitsergebnissen, einer niedrigeren Krankenquote und sie kann qualifizierte Fachkräfte langfristig binden.

Damit Homeoffice-Arbeitsplätze für alle Beteiligten den gewünschten Nutzen bringen, muss die erforderliche technisch-digitale und räumliche Infrastruktur vorhanden sein.

Der Erfolg hängt daneben entscheidend davon ab, dass Heimarbeiter, Vorgesetzte und Kollegen weiter als Team funktionieren, gemeinsam Leistungen erbringen und Ziele gemeinsam erreichen.

Die technische Ausstattung ist ein entscheidender Faktor

Die Grundlage für die Heimarbeit ist die geeignete und für die zu erledigen Aufgaben angemessene technische Ausstattung. Benötigt wird eine ausreichend schnelle Internetverbindung sowie ein Dienst-Laptop mit aktuellem Virenschutz und Firewall. Wenn besonders sensible und schützenswerte Daten verarbeitet werden, wie sie im Vollzug an der Tagesordnung sind, ist zudem ein geschützter VPN-Tunnel vom heimischen Computer zur Dienststelle zwingend erforderlich.

Für die Kommunikation per Telefon, Skype, Microsoft-Teams usw. sollte ein Smartphone, gegebenenfalls auch ein Headset und eine Webcam zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollte das Homeoffice ein separater Raum sein, in dem ungestört gearbeitet werden kann.

Für welche Funktionen ist Homeoffice eine Option?

Heimarbeit ist im Vollzug die Ausnahme. Und es bedarf keiner großen seherischen Fähigkeiten, um zu prognostizieren, dass sich für den Kernbereich der Vollzugsarbeit daran auch künftig nicht viel ändern dürfte. Die Heimarbeit wird im Vollzug ein Nischenprodukt der Arbeitszeitmodelle bleiben.

Für verwaltungstechnische Arbeiten, die im Sozialdienst, im Psychologischen Dienst und auch in den klassischen Verwaltungsfunktionen anfallen, kann Heimarbeit künftig zu einer Alternative in der Weise werden, dass Teile der Arbeit ins Homeoffice verlegt werden könnten. Mit etwas kreativem Nachdenken ließen sich wohl auch Aufgaben in weiteren Laufbahnen identifizieren, die dann entsprechend profitieren könnten.

Gibt es ein Recht auf Homeoffice?

Aktuell gibt es keinen umfassenden Rechtsanspruch, seinen Arbeitsplatz in die eigene Wohnung verlegen zu können. Zwar hatte Bundesarbeitsminister Heil einen solchen Anspruch zu Beginn des Jahres gesetzlich normieren wollen, konnte sich mit dieser Vorstellung allerdings nicht durchsetzen.

Benötigt wird immer die Zustimmung der Dienststelle. In Betriebsvereinbarungen zwischen Behördenleitungen und Personalvertretungen sind Teilansprüche auf Homeoffice-Tätigkeiten vereinbart worden. In der Corona-Krise hat die Anzahl der Heimarbeitsplätze deutlich zugenommen, so dass durchaus vorstellbar ist, dass eine aufgabenspezifische Ausweitung der Heimarbeit in begrenztem Umfang auch im Vollzug möglich sein wird.

Friedhelm Sanker

Foto: francescoridolfi/stock.adobe.com