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Behindert die geringe Bezahlung der Gefangenen deren Wiedereingliederungschancen?

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat gegenwärtig über zwei Verfassungsbeschwerden von Inhaftierten zu entscheiden, die sich gegen die zu geringe Bezahlung von arbeitenden Gefangenen im Vollzug wenden. In der vergangen Woche wurde mündlich verhandelt. Die Entscheidung des Gerichts über die Verfassungsbeschwerden ist in einigen Monaten zu erwarten.

Wer im Strafvollzug einer Arbeit nachgeht, ist nicht in einem rechtlich ausgestalteten Arbeitsverhältnis tätig, sondern er verrichtet Zwangsarbeit, die ansonsten prinzipiell verboten ist. Die Arbeitspflicht gilt derzeit noch in dreizehn Bundesländern. Wer sich der Arbeitspflicht ohne rechtfertigenden Grund entzieht, kann sanktioniert werden.

Die Beschwerdeführer kritisieren geringe Bezahlung der Gefangenenarbeit

Für die erbrachte Arbeitsleistung erhalten die Gefangenen derzeit ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage von 9 Prozent der Durchschnittsvergütung aller Pflichtversicherten im vorvergangenen Kalenderjahr (§ 18 SGB IV). Zusätzlich erwerben sie einen Anspruch von zwei Tagen Freistellung für jeweils drei Monate Arbeit, die beim Vorliegen der Voraussetzungen für Langzeitausgänge oder die Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes verwendet werden können. Diese Anerkennung der erbrachten Arbeitsleistung geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1998 zurück. Auch damals musste der seiner Zeit zuständige Bund zu einer Anhebung der Gefangenenentgelte durch das Verfassunggericht nachdrücklich gedrängt werden.

Die beiden Beschwerdeführer aus Nordrhein-Westfalen und Bayern kritisieren diese Bezahlstrukturen als zu niedrig. Das Entgelt sei nicht geeignet, Gefangene vom Wert der Arbeit zu überzeugen und stelle folglich ein Resozialisierungshemmnis dar. Als angemessen könne nur ein Arbeitsentgelt angesehen werden, das sich am aktuellen Mindeslohn orientiere.

Kontroverse Stellungnahmen prägten die Verhandlungstage

Im Zuge der mündlichen Verhandlung sprachen sich etliche Experten für eine Anpassung der Entgelte aus, um den Gefangenen den Wert von regelmäßiger Arbeit für ihre künftige Lebensgestaltung in Freiheit zu vermitteln. Die Bundesländer verwiesen auf die Tatsache, das die Inhaftierung eines Gefagnenen dem Steuerzahler bereits derzeit mit rd. 160 Euro pro Hafttag teuer zu stehen komme.

Die Karlsruher Richter müssen jetzt die Frage beantworten: Ist die derzeitige Höhe der Vergütung der Gefangenenarbeit noch mit dem Grundgesetz vereinbar? Von besonderer Bedeutung wird sein, ob die Vollzugsgesetze Nordrhein-Westfalens und Bayerns in dieser Hinsicht dem gesetzlichen Resozialisierungsgebot noch in ausreichendem Maße Rechnung tragen.

Unternehmen zahlen Preise, die sich am Tariflohn orientieren

In der Öffentlichkeit ist bekannt, dass namhafte Unternehmen in den bundesdeutschen Vollzugseinrichtungen Gefangene beschäftigen. Das Entgelt, das die Gefangenen erhalten, dient oftmals dazu, den Vorwurf der Ausbeutung zu erhärten. Dabei orientiert sich der Preis, den die Unternehmen für die Vergabe der Arbeitskraft der Gefangenen zu entrichten haben, am jeweiligen Tariflohn. Dies ist schon deshalb geboten, weil der Staat kein Interesse daran haben kann, Arbeit vom ersten Arbeitsmarkt in die Vollzugseinrichtungen zu verlagern.

Zudem werden viele Gefangene in Ausbildungs- und Eigenbetrieben sowie zu Hilfstätigkeiten eingesetzt. Gerade diese Arbeit, die vielfach darauf ausgerichtet ist, Gefangene aus- und fortzubilden, erbringt nur in geringem Umfang wirtschaftlich verwertbare Arbeitsergebnisse, weil naturgemäß handwerkliche Fähigkeiten zunächst einmal erlernt werden müssen.

Weil die Gefangenen im Vergleich mit der Privatwirtschaft überwiegend schlechtere Voraussetzungen für qualifizierende Maßnahmen aufweisen, liegt der Schwerpunkt dieser Arbeitseinsätze bei der Wissensvermittlung. Wenn im Zuge der Ausbildung Produkte hergestellt werden, für deren Veräußerung es einen Markt gibt, ist dies eine zusätzliche Anerkennung für den Auszubildenden, mit ihrer Hände Arbeit etwas Verwertbares produziert zu haben.

BSBD plädiert für Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben die Führungskräfte des Vollzuges vorgeschlagen, die Gefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, um im Alter nicht auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Diesen Aspekt favorisiert auch der BSBD bereits seit Jahrzehnten. Die Realisierung dieser Forderung ist jedoch immer wieder an den angespannten Haushaltslagen der Bundesländer gescheitert. Außerdem könnte die Arbeit durch Ausweitung der nichtmonetären Elemente zusätzlich anerkannt werden. Wenn die Freistellungstage deutlich erhöht würden, könnte das zu einer signifikanten Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes führen.

Das Verfassungsgericht wäre gut beraten, gerade diesen Anliegen größere Bedeutung beizumessen, weil es schließlich ein großer Fortschritt wäre, wenn die Bundesländer zu Gunsten der Inhaftierten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile eines Durchschnittseinkommens (§ 18 SGB IV) in die Rentenversicherung einzahlen würden. Hiervon könnten speziell langstrafige Inhaftierte deutlich stärker profitieren als von einer Entgeltanpassung. Und auch die Vorverlegung des Entlasungszeitpunktes wäre ein erheblicher Anreiz und eine besondere Wertschätzung erbrachter Arbeitsleistungen.

Höheres Arbeitsentgelt bedeutet nicht automatisch mehr Konsummöglichkeit

Bei einer Entwicklung des Entgelts in Richtung der Höhe des Mindestlohns müssten von den Gefangenen Haftkosten erhoben und Gelder für die Unterstützung seiner Angehörigen einbehalten werden. Für den Gefangenen bliebe für den eigenen Konsum im Vollzug nicht viel mehr als ihm jetzt bereits zur Verfügung steht. Außerdem wären all diese Maßnahmen mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden. Da wäre das Geld für die Einbeziehung der Gefagnenen in die gesetzliche Rentenversicherung für die Betroffenen deutlich gewinnbringender investiert. Den Inhaftierten würde die Angst vor der Altersarmut genommen, wovon eine deutliche Stärkung der Wiedereingliederungsbemühungen erwartet werden dürfte.

Karlsruher Richter können zukunftsweisend entscheiden

Sollten die Karlsruhrer Verfasssungsrichter zu der Einschätzung gelangen, dass die Höhe des Arbeitsentgelts Inhaftierter derzeit nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, müssten die Landesgesetze nicht nur in Bayern und Nordrhein-Westfalen im Sinne der Entscheidung novelliert werden.

Die Entscheidung wird in jedem Fall Auswirkungen auf das Vollzugsgeschehen haben. Nach den durchgeführten Verhandlungstagen liegen die Fakten auf dem Tisch. In einigen Monaten wird die Entscheidung des Verfassungsgerichts vorliegen. Vielleicht nutzt das Gericht die Chance, den Gesetzgebern die Einbeziehung der Inhaftierten in die gesetzliche Rentenversichtung nahezulegen. Dies wäre ein Meilenstein in der Entwicklung des Behandlungsvollzuges. Es würde eine Absicht realisiert, die der Gesetzgeber bereits im Strafvollzugsgesetz von 1977 formuliert hatte, die jedoch nie in Kraft getreten ist.

Friedhelm Sanker