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Stern TV kritisiert Krankenquote im öffentlichen Dienst auf zweifelhafter, unvollständiger Faktenbasis.

Stern TV: Gestern stand mal wieder „Beamten-Bashing“ auf dem Programm

Menschen fühlen sich gemeinhin wohl, wenn sie in ihren Auffassungen und Meinungen bestätigt werden. Dies gilt selbstverständlich auch für scheinbar unausrottbare Vorurteile. Gestern brachte RTL zu später Stunde die „Staatsdiener gegen Angestellte“ in Position und behauptete, Beamte seien im Vergleich zu Beschäftigten mehr als doppelt so viel krank. Dadurch entstände dem Staat und den Steuerzahlern ein finanzieller Schaden in Millionenhöhe. Der Steuerzahlerbund war bekannt schnell mit der Radikallösung bei der Hand. Ein Sprecher forderte, die Beschäftigungsverhältnisse müssten den Bedingungen der Arbeitnehmer angeglichen werden, was nichts anderes bedeutet, als die Abschaffung des Berufsbeamtentums. Was aber dem Fass wirklich den Boden ausschlug, waren die Aussagen des Strafvollzugsbediensteten Norbert Papst aus Münster.

Papst erklärte in einem eingespielten Filmbeitrag mit schelmischem Lächeln, dass er in diesem Jahr kaum zum Arbeiten gekommen sei. Wegen eines Sehnenrisses, Folge eines Sturzes, habe er sich in stationäre Behandlung begeben müssen. Zudem habe er sich, kurz vor der Pensionierung stehend, Krampfadern ziehen lassen und einer Nasenoperation unterzogen. Er fühle sich zwar nicht gut dabei, habe diese Behandlungen aber machen lassen, weil er davon ausgehe, dass er nach der Pensionierung dafür keine Zeit mehr haben werde. Es ist zu vermuten, dass der Zynismus und die Pflichtvergessenheit dieser Aussage das Bewusstsein des Herrn Papst erst gar nicht erreicht haben.

Kritik auf zweifelhafter Grundlage

In dem Beitrag wurden, um den Boden für eine ungerechtfertigte Kritik zu bereiten, die Krankentage aller Angestellten mit denen von zehn Beamtengruppen verglichen, die die höchsten Krankentage aufweisen. Diese sollen sich zwischen 21 und 42 Kalendertagen bewegen. Auf diese Weise werden aber eben Äpfel mit Birnen verglichen. Ein solches Vorgehen ist einfach journalistisch unseriös. Genauso gut hätte man die Krankentage der zehntausend am häufigsten erkrankten Angestellten mit denen von zehntausend wenig erkrankten Beamten vergleichen können. Dies wäre zwar zum Vorteil der Beamten ausgegangen, hätte aber ebenfalls kein realistisches Bild ergeben.

Die Redaktion von Stern TV hätte gut daran getan, etwas länger zu recherchieren. Vermutlich ist dies nicht geschehen, weil der Sendung sonst die argumentative Grundlage entzogen worden wäre. Wo es nur einige Ausreißer, aber keine flächendeckende Fehlentwicklung gibt, da ist Kritik in der dargebotenen Form nur eines: tendenziös, überzogen und völlig unangebracht.

Stern TV widerlegt eigene Argumentation

Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird durch den Online-Beitrag von Stern TV zudem bestätigt. Dort heißt es u.a.: „Norbert Papst ist seit 34 Jahren Justizvollzugsbeamter in Münster – und einer von etwa 100.000 Beamten, die derzeit krank sind.“ Bei 1,9 Mio. Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden errechnet sich hieraus eine Krankenquote von 5,2 Prozent, was 18 Kalender- oder 13 Arbeitstagen entspricht. Demgegenüber sind Angestellte – laut Stern TV – an 13 Kalender- oder 9 Arbeitstagen krank. Damit führt Stern TV seine eigene Argumentation ad absurdum. Wären Beamte tatsächlich dreimal so häufig krank wie Angestellte, so die Behauptung von Moderator Steffen Hallaschka, dürften arbeitstäglich annähernd 250.000 Beamte bundesweit nicht an ihrem Arbeitsplatz erscheinen!

Die wohl etwas günstigere Krankenquote der Privatwirtschaft, so steht zu vermuten, hat mit dem bestehenden Arbeitsplatzrisiko zu tun. Deshalb trauen sich Menschen vielfach nicht, den Arzt aufzusuchen, obwohl sie krank sind. Dies wäre eine Thema für die Sendung gewesen, um nach Möglichkeiten zu suchen, Menschen beim Auftreten einer Krankheit künftig nicht mehr mit dem Armutsrisiko einer Entlassung zu „bedrohen“. Stattdessen will Rainer Holzapfel vom Steuerzahlerbund diese inhumane Form des Umgangs auf den öffentlichen Dienst übertragen. Der Vorsitzende des Steuerzahlerbundes sollte sich neben der Ausgabenseite auch einmal die Einnahmenseite des Staates anschauen. Dann würde ihm auffallen, dass wir bei der Besteuerung der Reichen im Land ein Defizit haben, das prominent thematisiert und diskutiert gehört.

Auch in der Privatwirtschaft ist die Krankenquote eine Frage des Berufes

Auch in der Privatwirtschaft sind Berufe mit hohen Krankenständen anzutreffen. Die Ausfallzeiten steigen noch, wenn es gilt, Schicht- und Wechselschichtdienst zu leisten. Und die Krankenquote steigt weiter mit dem zunehmenden Alter der Beschäftigten. Dies ist in der Privatwirtschaft nicht anders als im öffentlichen Dienst. Nur treten diese die Quote treibenden Faktoren im öffentlichen Dienst häufiger auf als in der Privatwirtschaft. Der öffentliche Dienst ist wegen des permanenten Stellenabbaus der zurückliegenden Jahre überaltert und es gibt bei Polizei, Feuerwehr und Strafvollzug, um nur einige Bereiche zu nennen, viele Berufsfelder, die deutlich erhöhte Anforderungen an Physis und Psyche stellen.

NRW-Strafvollzug hat Krankenquote deutlich reduziert

Kommen wir zum Bereich des Strafvollzuges. Hier ist es nunmehr gelungen, die Krankenquote deutlich zu reduzieren. Nordrhein-Westfalen weist im Vollzug mittlerweile eine der günstigsten Krankenquoten bundesweit auf. Diese erreicht nunmehr knapp 9 Prozent, was 32 Kalender- oder 22 Arbeitstagen entspricht. Ohne die Langzeiterkrankten, die 3 Prozent der Erkrankungen ausmachen und die die Statistik belasten, weil der Gesetzgeber langwierig nach alternativen Einsatzmöglichkeiten sucht, läge die Quote der akut Erkrankten bei knapp über 6 Prozent. Dies ist ein Wert, der sich unter Berücksichtigung des Schichtdienstes langsam dem Optimum annähert.

Weil diese Entwicklung derzeit positiv verläuft, ist es so bedauerlich, dass sich gerade ein Strafvollzugsbediensteter aus Nordrhein-Westfalen dazu hergegeben hat, das Negativbeispiel eines abgezockten, unverantwortlichen Bediensteten zu liefern, der auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen den „lieben Gott einen guten Mann sein“ lässt. Was aber schon als böswillig eingestuft werden muss, ist die abschließende Aussage, dass vielen Beamten die Konsequenzen ihrer Krankfeierei „sozusagen am Arsch vorbei“ gingen. Damit hat sich Norbert Papst nicht nur als „Nestbeschmutzer“ betätigt, sondern auch gleich jene Kolleginnen und Kollegen beleidigt, diskreditiert, verhöhnt und ins Zwielicht gezogen, die seinen Dienst zusätzlich wahrnehmen müssen.


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