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Tarifeinheit: Bundestag verabschiedet umstrittenes Gesetz

Eine lange und kontroverse Debatte ging der Abstimmung voraus. Dabei wurde nochmals deutlich, dass sich die Bedenken gegen die Grundgesetzkonformität quer durch alle Fraktionen ziehen. Trotzdem nutzte die Große Koalition ihre Mehrheit, um das Gesetz zu verabschieden. Das Gesetz regelt, dass in einem Betrieb für eine Beschäftigtengruppe nur noch ein Tarifvertrag gelten soll, nämlich jener, den die größte Gewerkschaft abgeschlossen hat. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) betonte, dass damit das vor 2010 geltende Recht wiederhergestellt werde. Mit diesem bewährten Grundsatz sei das Land immer gut gefahren.

Was ist mit dem Streikrecht?

Die sogenannten Spartengewerkschaften, die sich als besonders schlagkräftig und durchsetzungsfähig erweisen, befürchten, dass mit dem Gesetz zur Tarifeinheit ihr Streikrecht eingeschränkt werden soll. So sieht das Gesetz vor, dass in Betrieben mit mehreren Tarifverträgen für gleiche Beschäftigtengruppen und miteinander konkurrierende Gewerkschaften nur noch der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gilt. Streiks einer Minderheitsgewerkschaft könnten dann durch die Arbeitsgerichte als unverhältnismäßig eingestuft und unterbunden werden. Der Bundesrat wird sich am 12. Juni mit dem Gesetz befassen. Er kann allerdings kein Veto einlegen, so dass mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Juli 2015 zu rechnen ist.

Was regelt das Gesetz zur Tarifeinheit?

Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Gesetz die Tarifautonomie stärken, also das unabhängige Aushandeln von Löhnen, Gehältern und Arbeitsbedingungen durch Arbeitgeber und Gewerkschaften. In sogenannten Tarifkollisionen sieht die Bundesregierung eine Beeinträchtigung der Tarifautonomie. Deshalb soll eine Regelung getroffen werden für den Fall, dass sich Tarifverträge für dieselbe Beschäftigtengruppe überschneiden sollten. Mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb sollen deshalb gemeinsam und nicht in Konkurrenz zueinander agieren. Damit sollen wechselnde Streiks in einem Betrieb verhindert werden.

Nach dem Gesetzentwurf haben es die Gewerkschaften in der Hand, Tarifkollisionen zu vermeiden: Sie können sich absprechen, dass ihre Tarifverträge für unterschiedliche Beschäftigtengruppen gelten. Sie können eine Tarifgemeinschaft bilden und gemeinsam verhandeln. Sie können aber auch den Tarifvertrag einer anderen Gewerkschaft übernehmen. Können sich zwei Gewerkschaften nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, gilt der Vertrag der mitgliederstärksten Interessenvertretung.

Rechtsexperten halten das Gesetzeswerk für verfassungswidrig

Kaum jemals zuvor hat ein Parlament die Auffassungen vieler namhafter Rechtsexperten derart unbeeindruckt ignoriert und ein Gesetz beschlossen, dem überwiegend bescheinigt wird, es sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. Das Gesetz sei ein unzulässiger Eingriff in die Rechte von Spartengewerkschaften und zudem voller handwerklicher Fehler, lautet das vernichtende Urteil der Experten. Allerdings nicht, weil es Streiks direkt einschränken würde, was es nach seinem Wortlaut auch gar nicht tut, sondern weil ein von der Minderheitsgewerkschaft ausgehandelter Tarifvertrag anschließend keine Gültigkeit erlangen soll.

Durch dieses Vorgehen der Großen Koalition wir ein verheerendes Signal in die Gesellschaft ausgesandt: „Ihr könnt machen was ihr wollt, wir ziehen unser Ding durch, selbst wenn es falsch ist!“

Kontroverse Debatte im Bundestag

Bevor über das Tarifeinheitsgesetz abgestimmt werden konnte, lieferten sich Regierung und Opposition einen vehementen Schlagabtausch. Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst monierte: "Das Gesetz ist eine Einschränkung des Streikrechts kleiner Gewerkschaften." Da ein Streik nur zulässig sei, wenn er auf den Abschluss eines Tarifvertrags ziele, würden Streiks von Minderheitsgewerkschaften faktisch unzulässig. Dies sei ein gravierender Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter betonte einen anderen Aspekt. Es seien gerade die kampfkräftigen kleinen Gewerkschaften gewesen, die das Tarifniveau zuletzt immer wieder angehoben hätten. Werde hier eingegriffen, stehe zu erwarten, dass das Lohnniveau noch weiter absinken werde.

Aber auch aus den Regierungsfraktionen meldete sich Widerstand. So erklärte der Präsident des Marburger Bundes, Rudolf Henke, der für die CDU im Bundestag sitzt, dass die Koalitionsfreiheit durch das Grundgesetz garantiert werde. "Grundrechte stehen allen Menschen in gleicher Weise zu. Deshalb kann man sie nicht unter Mehrheitsvorbehalt stellen." Bei der SPD stimmte Kirsten Lühmann gegen das Gesetz. Die Vizevorsitzende des Deutschen Beamtenbundes lehnt - gleich ihrer Organisation – das Gesetz zur Tarifeinheit kategorisch ab.

Für das Gesetz votierten dann aber in namentlicher Abstimmung 448 Abgeordnete, 126 stimmten dagegen, 16 Parlamentarier enthielten sich der Stimme.

DBB kündigt Gang nach Karlsruhe an

Für den DBB kündigte dessen Bundesvorsitzender Klaus Dauderstädt umgehend Verfassungsklage in Karlsruhe an. Der DBB-Chef erklärte: „Dies ist ein schwarzer Tag für die Grundrechte. Wenn die Abgeordnetenmehrheit die Koalitionsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr verteidigt, müssen die Richter des Bundesverfassungsgerichts diese Rolle übernehmen. Die heute beschlossene Regelung verstößt gegen das Grundgesetz, zerstört den Betriebsfrieden und treibt die Gewerkschaften in Deutschland völlig unnötig in einen harten Konkurrenzkampf."